SZ-Klimakolumne:Und täglich grüßt die Klimakrise

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Am Horn von Afrika herrscht die schwerste Dürre seit über 40 Jahren. Besonders betroffen sind die Länder Sudan, Somalia, Eritrea, Djibouti und Äthiopien. (Foto: epa Stephen Morrison/dpa)

Hier eine Hiobsbotschaft, dort eine verheerende Meldung. Wie die Erderwärmung Tag für Tag die SZ-Redaktion erreicht.

Von Jakob Wetzel

Ich möchte Sie an diesem Freitag gerne mitnehmen ins Hochhaus der Süddeutschen Zeitung, zumindest in Ihrer Vorstellung. Viele Autoren dieses Newsletters arbeiten wie ich im Wissenschaftsressort der SZ im 23. Stock des Redaktionsturms im Münchner Osten, manchmal kann man von hier oben einer Schafherde beim Grasen zusehen.

Wenn ich morgens ins Büro komme, gilt mein erster Blick aber meist dem Heizkraftwerk Nord der Münchner Stadtwerke, das übrigens immer noch Steinkohle verbrennt, und an dessen Abgasen man gut sehen kann, woher der Wind weht (aktuell aus dem Osten). Und unmittelbar vor dem Turm lässt sich beobachten, wie auf der Autobahn Lastwagen und Autos nach München drängeln.

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Nach ein paar Minuten ist der Rechner hochgefahren und die Nachrichtenlage lässt sich umreißen. Kurze Triggerwarnung: Was die Klimakrise angeht, sind die meisten Neuigkeiten schlecht. Im Morgenprogramm ist heute zunächst die Dürre am Horn von Afrika. Wissenschaftler haben berechnet, dass Dürren wie diese durch den Klimawandel um den Faktor 100 wahrscheinlicher geworden sind. Frankreich reagiert auf die Gefahr von Bränden und führt einen eigenen Wald-Wetterbericht ein. Eine Nachrichtenagentur berichtet über die rasante Schneeschmelze im US-amerikanischen Yosemite-Nationalpark, Teilen des Parks drohen Überschwemmungen. Und die BBC meldet, Satelliten hätten den "besten Blick" auf schmelzende Gletscher eingefangen.

Können Sie noch? So oder so, es geht weiter. In Nature ist eine Studie erschienen, laut der Städte im globalen Süden wegen der hohen Luftfeuchtigkeit besonders unter steigenden Temperaturen leiden. Im Journal of Hydrology beschreiben Forscher, wie Flüsse in den USA zunehmend Hoch- oder Tiefwasser führen. Die Proceedings of the National Academy of Sciences kündigen eine Studie an, über die erst am Montag berichtet werden darf, deshalb nur so viel: Es geht darum, wie bestimmte Tiere unter dem Klimawandel leiden.

Die Reihe ließe sich fortsetzen, das alles prasselt Tag für Tag auf uns ein, aufgreifen können wir nur einen Bruchteil. Wir versuchen, die wichtigsten Entwicklungen abzubilden. Mein Kollege Christoph von Eichhorn hat deshalb zum Beispiel in dieser Woche analysiert, was es bedeutet, dass sich die Oberflächentemperatur der Meere seit Wochen auf einem Allzeithoch bewegt und gar nicht mehr sinken will (SZ Plus). Und wir wählen Neuigkeiten aus, in denen wir konstruktive Impulse sehen, so wie jene, dass artenreiche Wälder offenbar mehr Kohlenstoff speichern können als Monokulturen. Was nicht mehr neu ist, sortieren wir dagegen meist aus. Zum Beispiel jene Studie, der zufolge Dürren vor 4000 Jahren die rätselhafte Indus-Kultur haben untergehen lassen. Sie teilt dieses Schicksal leider mit derart vielen prähistorischen Zivilisationen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll, bei den Hethitern, den Ägyptern, den Maya, auf Palau, auf der arabischen Halbinsel oder sonst wo.

Mit solchen Überlegungen beginnt jeder Morgen, und zwischendurch schaue ich hinaus auf das Heizkraftwerk und den Stau auf der Autobahn, und dann wünsche ich mir, dass alle diese Nachrichten die Aufmerksamkeit fänden, die sie verdienten. Und manchmal vergeht einem dabei ein bisschen die Lust, aus dem Fenster zu sehen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes, langes Wochenende!

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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