Klimawandel:Es wird eng auf der Scholle

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Dieses Jahr ist besonders viel Eis am Nordpol geschmolzen. Offenbar hängt das mit der Zunahme von Treibhausgas in der Atmosphäre zusammen.

Christopher Schrader

Das Eis am Nordpol ist in diesem Jahr wieder stark zurückgegangen. Zum dritten Mal fiel dabei die Fläche, die von Schollen und Packeis bedeckt war, unter die Marke von fünf Millionen Quadratkilometer, wie das National Snow and Ice Data Center (NSIDC) in Boulder, Colorado, am Mittwoch (Ortszeit) mitteilte.

Die Fläche, die von Packeis und Schollen bedeckt ist, ist stark zurückgegangen.  "Wir sehen über die Jahre hinweg einen eindeutigen abfallenden Trend, der auf die ansteigenden Mengen Treibhausgas in der Atmosphäre zurückzuführen ist", sagt Lars Kaleschke vom Klimacampus der Universität Hamburg. (Foto: AP)

Nach der vorläufigen Satellitenauswertung war das Minimum am vergangenen Freitag, dem 10. September, erreicht. An jenem Tag schwamm Eis auf 4,76 Millionen Quadratkilometern des Polarmeers. Das ist deutlich weniger als 2009, aber kein neuer Negativrekord. Dieser wurde im Jahr 2007 erreicht. 2010 steht an dritter Stelle der Rangliste.

Die Messung bestätigt eine Schätzung, die deutsche Forscher um Lars Kaleschke vom Klimacampus der Universität Hamburg vor einigen Tagen veröffentlicht haben. Ihre Zahl von 4,9 Millionen Quadratkilometern bezog sich allerdings auf den Mittelwert für den Monat September. "Zuletzt hatte sich das Abschmelzen noch beschleunigt, im August haben wir höhere Werte geschätzt", sagt Kaleschke.

Die Vorhersage ist deswegen schwierig, weil sich die Luftdruck- und Wetterverhältnisse sowie die Ausdehnung der Eisdecke in der Arktis auf komplizierte Weise gegenseitig beeinflussen. "Wir sehen aber über die Jahre hinweg einen eindeutigen abfallenden Trend, der auf die ansteigenden Mengen Treibhausgas in der Atmosphäre zurückzuführen ist", sagt Kaleschke.

Auch das NSIDC betont, dass 2010 etwa 1,6 Millionen Quadratkilometer weniger Eis im Polarmeer schwamm als im Durchschnitt aller Jahre seit 1979, als die systematische Vermessung der Arktis per Satellit begann.

Die Folgen der Schmelze sind rund um den Nordpol deutlich zu spüren. Wie erstmals 2008 sind dieses Jahr sowohl die Nord-West-Passage nördlich von Kanada als auch die Nord-Ost-Passage vor Sibirien offen.

Zwei Expeditionen umrunden den Nordpol seit Juli mit Segelbooten: ein norwegisches Team mit einem Trimaran und ein russisches an Bord der Petr I. Beide haben bereits den asiatischen Teil ihrer Route bewältigt und fahren laut ihren Blogs durch die Kanäle zwischen den nordkanadischen Inseln.

Zu leiden unter dem Eis-Rückgang hingegen haben die Walrosse in Alaska. An manchen Orten wie dem Dorf Point Lay an der Tschuktschensee flüchten sie sich an Land und liegen dort Schulter an Schulter. Der amerikanische geologische Dienst schätzt die Zahl der Meeressäuger, die derzeit Strände am Nordpolarmeer und an der Beringstraße bevölkern, auf wenigstens 10.000 bis 20.000. Auch auf den verbliebenen Schollen drängen sich die Tiere.

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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