Klimaschutz:CO₂-Emissionen steigen 2019 weniger stark an

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Flugzeuge stehen für hohen CO₂-Ausstoß. (Foto: dpa)
  • Nach einer Analyse des Global Carbon Projects wird durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas im laufenden Jahr voraussichtlich etwa 0,6 Prozent mehr Kohlendioxid emittiert als 2018.
  • Nach 1,5 Prozent Steigerung im Jahr 2017 und weiteren 2,1 Prozent mehr im vergangenen Jahr ist das langsamere Wachstum der Emissionen im laufenden Jahr ein gewisser Fortschritt.
  • Die Experten des GCP schätzen den CO₂-Ausstoß 2019 vorläufig auf 36,8 Milliarden Tonnen.

Von Marlene Weiß

Die weltweiten CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe sind im Jahr 2019 nicht mehr so stark angestiegen wie in den vergangenen beiden Jahren - nehmen aber weiter zu. Nach einer Analyse des Global Carbon Projects (GCP), eines weltweiten Netzwerks von Klimaforschern, wird durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas im laufenden Jahr voraussichtlich etwa 0,6 Prozent mehr Kohlendioxid emittiert als 2018.

Nach 1,5 Prozent Steigerung im Jahr 2017 und weiteren 2,1 Prozent mehr im vergangenen Jahr ist das langsamere Wachstum der Emissionen im laufenden Jahr ein gewisser Fortschritt, in dem sich auch erste Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen zeigen. Die dringend nötige Trendwende hin zu deutlich niedrigerem CO2-Ausstoß ist aber nach Auffassung von Experten noch lange nicht in Sicht.

"Erdgas zu verbrennen stößt etwa 40 Prozent weniger CO2 pro Energieeinheit aus als Kohle"

Die Experten des GCP schätzen den CO2-Ausstoß 2019 aus fossiler Energie vorläufig auf 36,8 Milliarden Tonnen, allerdings sind auch ein minimaler Rückgang oder ein deutlich stärkeres Wachstum noch im Bereich des Möglichen. Für den langsameren Anstieg nennt der Bericht, der auf drei am Mittwoch parallel in Fachzeitschriften veröffentlichten Studien beruht, zwei Hauptgründe. Erstens ist die Kohleverbrennung sowohl in den USA als auch in der EU deutlich zurückgegangen, jeweils um rund zehn Prozent. In der EU lag das vor allem am deutlich gestiegenen CO2-Preis im Emissionshandel der Energiewirtschaft, der dafür sorgte, dass Steinkohle-Kraftwerke seltener liefen. Außerdem ist die Wirtschaft weltweit schwächer gewachsen, insbesondere in China und Indien.

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Insgesamt gingen die Emissionen aus Kohle weltweit um rund 0,9 Prozent zurück. Jene aus Öl stiegen jedoch weiter um 0,9 Prozent. Am deutlichsten gingen die Erdgas-Emissionen in die Höhe, um rund 2,6 Prozent. Auch in der EU nahm die Verbrennung von Öl und Erdgas zu, sodass die Emissionen insgesamt nur um 1,7 Prozent sanken, langsamer als im Vorjahr.

Der steigende Erdgasverbrauch trägt zwar zum Rückgang des CO2-Ausstoßes bei, weil Erdgas deutlich weniger klimaschädlich ist als Kohle. Klimaforscher sehen den Anstieg dennoch mit Sorge. "Erdgas zu verbrennen stößt etwa 40 Prozent weniger CO2 pro Energieeinheit aus als Kohle, aber es ist kein kohlenstoffarmer Brennstoff", sagt Julia Pongratz von der LMU München, Co-Autorin des Berichts. Gas sei bestenfalls eine kurzfristige Lösung: "Die Emissionen müssen nicht nur fallen, sie müssen null erreichen, wenn wir eine weitere Erwärmung des Planeten verhindern wollen." Stattdessen aber werden weiter neue Gasfelder erschlossen und Pipelines gebaut. "Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen all diese Investitionen überdacht werden", sagt Niklas Höhne vom Kölner Think Tank New Climate Institute.

Zu den fossilen Emissionen kommen noch jene aus Änderungen der Landnutzung, vor allem Brandrodungen. Hier ist die Unsicherheit weit größer als bei den fossilen Brennstoffen. Die GCP-Forscher schätzen den Beitrag vorläufig auf rund 6,3 Milliarden Tonnen CO2, deutlich mehr als im Vorjahr, vor allem weil in Brasilien und Indonesien ungewöhnlich viel Wald verbrannte. Allerdings betonen die Wissenschaftler, dass es sich dabei um eine grobe Schätzung handle, erst 2020 werden die endgültigen Daten vorliegen.

Insgesamt kommen die Forscher so auf geschätzte Emissionen von 43,1 Milliarden Tonnen CO2, nach 42,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2018. Ungefähr die Hälfte dieses Ausstoßes wird von Böden, Pflanzen und Ozeanen aufgenommen, die andere Hälfte verbleibt in der Atmosphäre, ein erheblicher Teil davon über Jahrtausende. Die Forscher schätzen, dass der mittlere CO2-Gehalt in der Luft somit von 407 ppm (parts-per-million, Teile pro Million) in 2018 auf rund 410 ppm angestiegen ist. Vor der industriellen Revolution waren es etwa 280 ppm.

Was die Chancen auf Einhaltung der Paris-Ziele angeht, sind das düstere Botschaften, zumal noch nicht abzusehen ist, dass die Emissionen endlich ein Plateau erreichen würden. Eher dürfte es 2020 weiter nach oben gehen. "Insbesondere der Energieverbrauch wird wachsen, denn den neuesten Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds zufolge wird die globale Wirtschaftskraft deutlich zunehmen", sagt Sabine Fuss vom Mercator Research Institute MCC in Berlin. Da das Energiesystem trotz aller Zuwächse bei erneuerbaren Energien noch längst nicht klimaneutral ist, dürfte ein weiterer Anstieg beim Konsum mit zusätzlichen Emissionen einhergehen. "Wir entfernen uns immer weiter von den Emissionspfaden, die den Temperaturanstieg noch unter 1,5 Grad Celsius halten würden", sagt Fuss.

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