Klimaschutz-Verhandlungen:Die Uhr läuft ab

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Vor dem UN-Klimagipfel im Dezember wird die Zeit knapp: Die Gespräche über ein neues Klimaabkommen stecken fest, vor allem die USA bremsen. Müssen nun die Staatschefs eingreifen?

Michael Bauchmüller

Die Perspektiven für ein neues globales Klimaabkommen verdüstern sich. Delegierte aus 181 Staaten konnten sich bei einem einwöchigen Treffen in Barcelona nicht auf nennenswerte Fortschritte verständigen. Zwar bekräftigten die Unterhändler sowohl der EU als auch der USA am Ende der Konferenz, sie wollten noch in diesem Jahr ein neues Klimaschutz-Abkommen aushandeln.

Auch dieser Eisbär wartet: Vor dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen bleibt nicht mehr viel Zeit. (Foto: Fotomontage: iStockPhoto)

Jenseits des bloßen Bekenntnisses aber ist so gut wie nichts klar: Welche Form etwa ein solches Abkommen haben soll, ob es in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag führt oder eine politische Übereinkunft bleibt, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Doch genau das könnte darüber entscheiden, ob die Staaten den Kampf gegen die Erderwärmung noch ernsthaft fortführen.

Viel Zeit bleibt nun nicht mehr. Das Treffen in Barcelona war die letzte Gelegenheit für förmliche Gespräche vor der Klimakonferenz in Kopenhagen, die in gut vier Wochen beginnt. "Zwischen jetzt und Kopenhagen müssen die Staaten klar machen, was sie anzubieten bereit sind", forderte Yvo de Boer, der Chef des UN-Klimasekretariats, nach Abschluss der Verhandlungen. "Wir brauchen jetzt politisch deutlich mehr Bewegung." Und Zusagen, schwarz auf weiß.

Hängepartie statt krönender Abschluss

Ursprünglich sollte das Treffen in Kopenhagen der krönende Abschluss von zwei Jahren Verhandlungsarbeit werden. Bei der Klimakonferenz in Bali hatten sich die Staaten eben diese Zeit gegeben, ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll auszuhandeln, das im Jahr 2012 ausläuft.

Erstmals sollte das neue Abkommen die USA einbeziehen, die das Kyoto-Abkommen zwar unterzeichnet, dann aber nicht ratifiziert haben. Die USA sind das Industrieland mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen an Treibhausgasen der Welt. Das neue Abkommen sollte auch deutlich anspruchsvoller werden.

Wissenschaftler verlangen eine Senkung der globalen Kohlendioxid-Emissionen von der Mitte des nächsten Jahrzehnts an. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten sie in den Industriestaaten sogar um 80 bis 95 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen, um die Erderwärmung in Grenzen zu halten.

Dafür allerdings müssten die Industriestaaten schon in Kopenhagen Ziele festlegen. Doch davon sind sie noch weit entfernt. Der amerikanische Chef-Unterhändler Jonathan Pershing wollte sich am Freitag nicht einmal darauf festlegen, ob die USA überhaupt irgendwelche Zahlen nennen werden. "Wir untersuchen diese Frage", beschied er Journalisten.

Und: "Es gibt da Bewegung." Grund ist der zähe Gesetzgebungsprozess im Kongress. Zwar nahm das umstrittene Klimaschutzgesetz am Donnerstag eine erste wichtige Hürde im Senat. Allerdings ist es ausgeschlossen, dass dieses Gesetz noch vor der Kopenhagener Konferenz in Kraft tritt.

Sollten aber die USA keine konkreten Zusagen im Klimaschutz machen, ist ein verbindliches Abkommen so gut wie unmöglich; zumal China und Indien dann ausstiegen. So bliebe einzig eine politische Erklärung - womöglich mit dem Ziel, im nächsten Jahr ein Abkommen auszuhandeln. Für den langwierigen Prozess der Ratifikation blieben dann allerdings nur noch gut zwei Jahre Zeit.

Entwicklungsländer zeigen sich enttäuscht

Damit wächst abermals der Druck auf die USA, sich im Klimaschutz zu bewegen - wie schon auf Klimakonferenzen in der Vergangenheit. Vor allem die Entwicklungsländer machen aus ihrer Enttäuschung kein Hehl. "Es ist traurig", sagte die bolivianische Diplomatin Angelica Navarro, "aber es scheint, als verhandelten die Industrieländer weniger im ökologischen Interesse aller als im ökonomischen Interesse ihrer Wirtschaft".

Mehrere afrikanische Delegationen hatten die Verhandlungen sogar zwischenzeitlich boykottiert, aus Frust über den geringen Verhandlungsfortschritt. Sie wünschen sich nicht nur einen entschiedeneren Kampf gegen die Erderwärmung, sie hoffen auch auf finanzielle Unterstützung.

Aus ihrer Sicht sollen die Verursacher des Klimawandels, also die Industriestaaten des Nordens, auch für die Bewältigung der Folgen geradestehen, seien es Dürren oder Fluten.

Auch Unterhändler der EU zeigten sich am Freitag nur vor angeschalteten Mikrofonen optimistisch. Hinter den Kulissen wächst die Enttäuschung. "Es geht immer noch zu langsam", klagte ein Diplomat. Umweltschützer mahnten, die EU müsse nun auf ein verbindliches Abkommen pochen.

Immerhin hat sie schon ein CO2-Ziel für 2020: Die Union will bis dahin ihre Emissionen um ein Fünftel senken, mindestens. "Insgesamt bin ich deutlich skeptischer geworden", sagte Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace. "Die Gefahr wächst, dass die entscheidenden Fragen vertagt werden."

Gut möglich, dass in Kopenhagen nicht ein Nervenkrieg der Umweltminister die Entscheidung bringt - sondern die Intervention von ganz oben. Nach Angaben des UN-Klimasekretariats erwägen an die 40 Staats und- Regierungschefs einen Kurztrip nach Dänemark - darunter Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und der britische Premier Gordon Brown. Auch Kanzlerin Angela Merkel, so hieß es am Freitag in Berlin, habe sich den Termin vorsichtshalber freigehalten.

© SZ vom 07.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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