Ottmar Möhler schaut in den Himmel über Karlsruhe und sucht nach Farbklecksern. Im Osten wellt sich eine Wolkenwand vor der Morgensonne, im Westen hat der Himmel Schäfchenwolken auf seinen blauen Hintergrund getupft. Möhler kneift die Augen zusammen und zeigt auf einen Schleier am Südhimmel: "Wenn das eine Zirruswolke wird, gibt es vielleicht bunte Flecken."
Ottmar Möhler muss das wissen. Der hochgewachsene 53-Jährige ist Wolkenforscher - und so sieht er auch aus: Aus seinem runden Gesicht wächst ein brauner Vollbart, um den Hals hat er einen schwarzen Schal geschwungen. Mit einer Fliegerbrille könnte man ihn sich gut an Bord eines Doppeldeckers vorstellen. Doch Möhler braucht kein Fluggerät für seine Arbeit. Der Himmel kommt zu ihm, in sein Labor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Atmospheric Aerosol Research Department (Aida). Auf Knopfdruck kann Ottmar Möhler dort Wolken erzeugen. Deswegen ist es auch nicht so schlimm, dass der Schleier am Südhimmel auseinanderfließt und sich als Flüssigwolke erweist, die aus Wasserdampf besteht - und keine bunten Flecken aufweist.
Eigentlich hatte Möhler am Morgenhimmel auf eine Wolke aus Eiskristallen gehofft - für Himmelsforscher gibt es dieser Tage kaum etwas Rätselhafteres. Beobachtet man solch eine Zirruswolke unter einem bestimmten Winkel, fächert sie das Sonnenlicht nach Farben auf, so ähnlich wie Wassertröpfchen in einem Regenbogen. Für Wolkenphysiker sind derartige Halo-Phänomene eine nette Bestätigung, dass irdische Naturgesetze auch in der Stratosphäre gelten. Sonst sind Wolken aus wissenschaftlicher Sicht noch reichlich undurchsichtig. Sie sind die große Unbekannte der Klimaforschung: Werden sie in einer wärmeren Welt häufiger entstehen? Und werden sie dann die Erde eher kühlen - oder den Klimawandel weiter anheizen?
Einfluss der Aerosole
Diese Fragen sind schwierig zu beantworten, weil es sich bei Wolken nicht bloß um Wasserdampf handelt, der beim Aufsteigen abkühlt und schließlich kondensiert, oder - wie im Fall von Möhlers Eiswolke - zu Eiskristallen erstarrt. In der Atmosphäre schwirrt ein Sammelsurium von Partikeln umher: Sandkörner aus der Wüste, Salz aus den Ozeanen und Ruß aus Vulkanen und Schornsteinen, aber auch Sporen, Pollen und Schwefelverbindungen. Ständig treffen solche Schwebeteilchen auf Wasserdampf-Moleküle, gemeinsam bilden sie sogenannte Aerosole, die mitunter völlig andere Eigenschaften als Wassertropfen haben. Forscher sind sich einig: Das Rätsel der Wolken lässt sich nur lösen, wenn man den Einfluss der Aerosole versteht.
Ottmar Möhler hat dem Oktoberhimmel den Rücken gekehrt und ist im Inneren von Aida verschwunden. Ihn interessiere sehr, wie stark menschgemachte Aerosole wie Ruß die Wolken - und damit das Klima - beeinflussen, sagt er. Aufgewachsen ist Möhler auf einem Bauernhof. Dort habe er bereits als Kind mitbekommen, wie wichtig das Verständnis von Wetter und Klima ist. Für seine Doktorarbeit sammelte er dann Spurengase in der Stratosphäre.
Um nun Wolken im Labor zu erforschen, musste er sich allerdings von ländlicher Idylle und Himmelspanoramen verabschieden: Die trist-graue Fassade des Containers von Aida fügt sich nahtlos in den Campus Nord des KIT ein, dem man noch deutlich seine Vergangenheit als Kernforschungszentrum ansieht. Im Inneren der Versuchsstätte wähnt man sich dann in einem U-Boot. Zwischen einem Gerüst aus grünen Stahlträgern steht ein sieben Meter hoher Koloss aus Aluminium, in seiner Unterseite verschwinden zahlreiche Kabel und Schläuche. Einzig im kleinen Kontrollraum hängt ein Erdpanorama mit einem majestätischen Wolkenzug - die einzige Spur jener Wolkenromantik, wie sie die "Cloud Appreciation Society" beschwört.