ISS - Forschung und Kosten:Völlig losgelöst

In 14 Jahren hat der Aufbau und Betrieb der Internationalen Raumstation ISS etwa 100 Milliarden Dollar verschlungen. Und wie groß ist nun der Erkenntnisgewinn?

Alexander Stirn

Die Zahlen sind durchaus beeindruckend: 1251 abgeschlossene Experimente, mindestens 578 wissenschaftliche Publikationen, mehr als 1300 beteiligte Forscher aus 63 Ländern. Nach 14 Jahren im All scheint die Internationale Raumstation ISS endlich die lange versprochenen Ergebnisse zu liefern. Biologie und Physik, Medizin und Materialforschung, Astronomie und Klimatologie - sie alle können mit ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufwarten.

Internationale Raumstation ISS von Wrack bedroht

Nach 14 Jahren im All scheint die Internationale Raumstation ISS endlich die lange versprochenen Ergebnisse zu liefern. Bislang wurden etwa 100 Milliarden Dollar in den Aufbau und Betrieb des fliegenden Forschungslabors gesteckt.

(Foto: dpa)

Eine andere Zahl ist auch beeindruckend: Geschätzte 100 Milliarden Dollar haben der Aufbau und Betrieb des fliegenden Forschungslabors inzwischen verschlungen. Angesichts von Finanzkrise, Haushaltsdefiziten und schwindender Begeisterung für die bemannte Raumfahrt stehen die Verantwortlichen unter Druck.

Sie müssen sich Fragen gefallen lassen: Lohnt sich die Investition? Was kommt dabei heraus? Und ließe sich Forschung im All nicht automatisieren, sodass es keine Astronauten braucht?

Mehr als 280 Wissenschaftler, Politiker und Raumfahrtmanager aus 25 Ländern waren deshalb nach Berlin gekommen. Auf einem dreitägigen ISS-Symposium wollten sie sich der Kritik stellen - aber auch Werbung für ihr hochfliegendes Projekt machen. "Forschung im All zum Nutzen der Menschheit" haben die Organisatoren das prominent besetzte Treffen überschrieben. Ein Werbespruch, der sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog.

Jeder Schritt, den wir im Weltall unternehmen, ist ein Schritt für den Planeten Erde", sagte Jean-Jacques Dordain, Chef der europäischen Raumfahrtorganisation Esa, als er das Symposium vergangene Woche eröffnete. Zugleich warnte der Franzose vor überzogenen Erwartungen: "Nach einer langen Aufbauphase hat die Nutzung der ISS gerade erst begonnen - nach zwei Jahren kann man noch keine Nobelpreise verlangen."

Über mangelndes Interesse an Forschungsmöglichkeiten in knapp 400 Kilometern Höhe können sich die Raumfahrtagenturen nicht beklagen. Allein die Europäer haben auf ihrer Warteliste 150 Experimente, die in den kommenden fünf Jahren umgesetzt werden sollen.

Die Zahl der eingereichten Vorschläge bei der letzten Ausschreibung war sogar dreimal so groß. Etwa 180 Anträge zum Thema "Erkundung des Weltalls" und 30 zum Klimawandel sind vor kurzem begutachtet worden. "Es ist schon lange nicht mehr so, dass wir nach Nutzern für die ISS suchen müssen", sagte Dordain.

Allzu groß sind die europäischen Möglichkeiten allerdings nicht: Die Esa kann auf lediglich 8,3 Prozent der US-Ressourcen an Bord des orbitalen Außenpostens zurückgreifen. Durch Abkommen mit anderen Partnern, die ihre Kapazitäten nicht immer auslasten, erhöht sich dieser Anteil um die Hälfte, berichtete Esa-Forschungsmanager Martin Zell. Pro Halbjahr stehen den Europäern somit 70 bis 75 Arbeitsstunden der ISS-Astronauten für eigene Forschung zur Verfügung.

Seit das europäische Modul Columbus vor gut vier Jahren an der Raumstation festgemacht hat, konnten etwa 110 Experimente abgeschlossen werden. Mehr als die Hälfte davon stand unter deutscher Leitung. Es ist die Gegenleistung dafür, dass sich die Bundesrepublik ihr ISS-Engagement jährlich knapp 160 Millionen Euro kosten lässt. Deutlich mehr als jedes andere europäische Land.

Deutsche Forscher waren auch an den beiden Vorzeigeexperimenten beteiligt, die während des Berliner Symposiums immer wieder erwähnt wurden - schließlich lässt sich mit ihnen der "Nutzen für die Menschheit" so schön illustrieren: Robert Guntlin, Materialforscher an der Technischen Hochschule Aachen, hat beispielsweise untersucht, wie Legierungen in der Schwerelosigkeit erstarren. Sein Augenmerk lag dabei auf der Kornstruktur des metallischen Gemisches, die beim Abkühlen unweigerlich entsteht. Sind die Körner unterschiedlich groß oder fällt ihr Muster ungleichmäßig aus, drohen Risse in den fertigen Legierungen.

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