Ein bizarrer Fall übereifriger Forschungspolitik wird aus Indonesien berichtet. In dem aufstrebenden Inselstaat sollte die Wissenschaft angekurbelt werden. Das zuständige Ministerium schuf Anreize und Sanktionen, um die Forscher des Landes zu erhöhter Publikationstätigkeit anzuregen. Zuletzt wurde ein Index kreiert, eine Messgröße, welche die Aktivität jedes Wissenschaftlers bewerten sollte.
Innerhalb von nur vier Jahren schnellte die Zahl der Publikationen indonesischer Wissenschaftler in der weltweit anerkannten "Scopus"-Datenbank nach oben, von 7000 auf 28 000 pro Jahr. Doch dann kamen Zweifel auf. So zeigte sich, dass die gemäß Index erfolgreichsten Wissenschaftler des Landes an zweitklassigen Universitäten arbeiteten und merkwürdig randständige Themen bearbeitet hatten.
Was war geschehen? Die scheinbar so erfolgreichen Forscher hatten schlicht den Bewertungsindex ihrer Regierung besser verstanden als andere. Sie arbeiteten zielgerichtet darauf hin, die Kennzahl zu optimieren. Dazu veröffentlichten sie jede Menge Publikationen in minderwertigen Journalen, zitierten sich selbst und schufen Zirkel mit Gleichgesinnten, in denen man sich gegenseitig zitierte.
Das könnte man als bizarre Anekdote aus einem fernen Schwellenland abtun. Doch hat die Fixierung auf numerische Indikatoren bei der Beurteilung guter Wissenschaft auch in Industrienationen bedrohliche Ausmaße angenommen. Die derzeit gängigste Kennzahl für wissenschaftliches Ansehen ist der 2005 von dem Physiker Jorge Hirsch erdachte Hirsch-Index, kurz "h-Index", eine Zahl mit Kultstatus. Mit ihr werden Ranglisten erstellt und Berufungsverfahren entschieden.
Der Grund ist klar: In einem zunehmend schwer durchschaubaren Wissenschaftsbetrieb mit weltweit mehr als einer Million Publikationen jährlich, schafft eine greifbare Zahl wie der h-Index das bequeme Gefühl von Objektivität. Dabei zeigt ein Blick auf den Index auch dessen Schwächen. So steht ein Forscher, der viele mittelmäßige Publikationen schreibt, besser da als jemand, der eine Menge Unbeachtetes produziert, aber zwischendurch Spitzenpublikationen landet. Das schafft Möglichkeiten, den eigenen h-Index zu tunen: Man veröffentliche beispielsweise abwegige Thesen, auf die viele Kollegen reagieren. Oder man teile eine Publikation in mehrere Veröffentlichungen, in denen man fleißig auf die eigenen Werke Bezug nimmt.
Wie man der Fixierung auf Kenngrößen entkommt, haben kluge Forscher 2005 im "Leiden Manifesto" dargelegt ( www.leidenmanifesto.org). Doch fällt es der Wissenschaft weiterhin schwer, sich der Griffigkeit eines handfesten Zahlenwerts zu entziehen.