Aus dem Innern der Tasche drangen nur leise Laute, aber den Ohren der Zollbeamten am Flughafen von Chennai entgingen sie nicht. Als sie den Besitzer des Gepäckstücks fragten, was das für seltsame Trillertöne seien, wurde der 45-jährige Fluggast nervös. Er musste sein Gepäck öffnen - und was zogen die Zöllner heraus? Ein Leopardenbaby, vier Wochen alt, 1,1 Kilogramm schwer, äußerst hungrig.
Bilder der erschöpften Raubkatze, die von einem Tierarzt die Flasche bekam, machten international die Runde. Der Mann hatte am Samstag in Bangkok ein Flugzeug der Thai Airways nach Indien bestiegen, die Raubkatze nahm er nicht ins Handgepäck, sondern checkte sie ein. Der Frachtraum muss also ausreichend klimatisiert gewesen sein, sodass das Tier beim Flug nicht erfror.
Eine Raubkatze entdecken die Zöllner nicht jeden Tag, dennoch gibt es ähnliche Versuche immer wieder, gerade in Bangkok. Ein besonders dreister Fall: 2011 hatte ein Fluggast einen halben Zoo im Handgepäck verstaut. Vier Leopardenbabys, einen kleinen Bären, einen jungen Gibbon, ein Seidenäffchen. Erst kurz vor dem Einsteigen flog der Schmuggler auf. Im derzeit jüngsten Fall untersucht die Polizei noch, ob der Mann Einzeltäter oder Mitglied eines Syndikats ist. Für das organisierte Verbrechen ist mancher Tiertransfer fast so lukrativ wie Drogen- oder Menschenhandel. Experten schätzen den Umsatz im illegalen Tiergeschäft auf weltweit mindestens 19 Milliarden Dollar.
Den Fahndern macht nicht nur die Risikofreude der Kuriere zu schaffen, sondern auch die Art, wie der Handel angebahnt und abgewickelt wird. Geschützte Tier- und Pflanzenarten werden immer häufiger online verkauft. Dieses kriminelle Wildlife-Shopping im Internet macht den Schutz vieler bedrohter Arten noch komplizierter, als er schon ist, sagt Saket Badola, Experte der Organisation "Traffic" in Indien, die illegalen Tierhandel dokumentiert. Auch Varun Kapoor, hochrangiger Polizeioffizier im indischen Madhya Pradesh, warnte kürzlich vor dem Onlinehandel mit Wildtieren im Land. Wenn diese Verbrechen niemand bekämpfe, würden sie sich verheerend auf Indiens Wildbestand auswirken.
Dabei hat Indien im Gegensatz zu vielen anderen südostasiatischen Ländern zumindest beim Schutz von Raubkatzen einige Erfolge vorzuweisen. Künftig aber braucht das Land nicht nur wachsame Wildhüter, die in Naturschutzgebieten patrouillieren, sondern auch ein Heer von Cyberspezialisten, die Onlineforen überwachen und digitale Marktplätze für illegalen Tierhandel aufspüren. Erste Schulungen dafür finden in Indien schon statt.
Einige Tierschutzorganisationen setzen nun auf Allianzen mit den Giganten der Onlinebranche, um Räume für illegalen Tierhandel "systematisch zu schließen", schreibt Crawford Allan, Cyberexperte bei Traffic. Ohne die Unterstützung dieser großen Internethändler dürfte es schwer werden, die kriminellen Wildtierverkäufe einzudämmen. Denn der Markt ist schnell und anonym. Ein paar Klicks, und schon sind Leguane, Schildkröten oder Geckos verpackt und unterwegs zu fernen Auftraggebern. Nur manche Tierschmuggler ziehen es vor, ihr lebendes Diebesgut altmodisch im Koffer zu transportieren.