Der Schatz, den Adam Hampshire und Adrian Owen hüten, ruht auf Festplatten irgendwo in Kanada. Die Neurowissenschaftler von der Western University in London/Ontario haben einen Intelligenztest ins Netz gestellt, der erstaunlich großen Zuspruch fand.
"Wir hatten mit einigen Hundert Teilnehmern gerechnet, aber dann wurden es Tausende und Tausende", sagt Owen, "Menschen jeden Alters, jedes Glaubens und jeder Herkunft aus allen Teilen der Welt." Mehr als 110.000 waren es am Ende. Gut 44.000 Datensätze konnten die Forscher schließlich auswerten. Diese enorme Datenmenge verleitet die Forscher nun zu einer gewagten These: Die Intelligenz als Maß geistiger Leistungsfähigkeit gibt es eigentlich gar nicht. Die Messung eines Intelligenz-Quotienten (IQ) ist daher irreführend.
"Unsere Daten zeigen drei Faktoren, die Erfolg im Test erklären: Kurzzeitgedächtnis, logisches Denken und verbale Fähigkeiten", sagt Adam Hampshire, der als Erstautor auf der jetzt erscheinenden Auswertung steht (Neuron, Bd. 76, S. 1225, 2012). "Sie alle stammen aus unterschiedlichen Bereichen des Gehirns, die ihre Aufgaben unabhängig voneinander oder zusammen bearbeiten können."
Untersuchungen von einer kleinen Zahl von Versuchspersonen in einem Magnetresonanztomografen haben den kanadischen Forschern gezeigt, wo die Areale liegen. Sie sind über Stirn- und Scheitellappen verteilt, sagt Hampshire, das logische Denken liege auf beiden Seiten des Kopfs generell etwas höher im Hirn als das Kurzzeitgedächtnis, und die sprachlichen Fähigkeiten säßen nur links.
Die drei geistigen Fähigkeiten entwickelten sich im Lauf des Lebens unterschiedlich: Während die sprachliche Komponente beim Altern einigermaßen konstant bleibt, erreichen logisches Denken und Kurzzeitgedächtnis ungefähr mit 20 Jahren ihren Gipfel und fallen bei Älteren stark ab. Wollte man den Unterschied in IQ-Punkten ausdrücken, dann hätten 70-Jährige 25 Punkte weniger als junge Erwachsene. Das wäre relativ viel: Der Quotient wird normalerweise so definiert, dass der Durchschnitt einer Bevölkerung bei 100 liegt und 95 Prozent aller Menschen Werte erreichen, die maximal 30 Punkte darüber oder darunter liegen.
Sonst haben die Forscher nur kleinere Unterschiede zwischen Gruppen gefunden. Eine höhere Bildung ging mit besseren Testresultaten einher, vor allem in der sprachlichen Komponente; das logische Denken zeigte hier den geringsten Effekt. Wer regelmäßig Computerspiele machte, hatte oft bessere Werte bei Logik und Kurzzeitgedächtnis, wobei die Kausalität unklar ist: Die Spiele könnten das Hirn trainieren, oder die Fähigkeiten könnten bestimmen, wer überhaupt Spaß am Daddeln hat.
Die Teilnehmer, deren Muttersprache nicht Englisch war, taten sich bei dem Onlinetest etwas schwerer, so die Auswertung, weil der Test auf Englisch durchgeführt wurde. Und Frauen schnitten beim Kurzzeitgedächtnis etwas schlechter ab als Männer. "Das war aber vielleicht auch eine Frage der Motivation", sagt Hampshire. "Es haben schließlich dreimal so viele Männer wie Frauen mitgemacht."