Golfstrom:Europas Fernheizung brummt

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Der Golfstrom hat sich im 20. Jahrhundert deutlich stärker erwärmt als der übrige Atlantik. Er ist nicht die einzige Meeresströmung, deren Temperatur erheblich steigt.

Christopher Schrader

Der Golfstrom, dem die amerikanische Ostküste und Europa ihr mildes Klima verdanken, hat sich offenbar im 20. Jahrhundert deutlich stärker erwärmt als der Rest des Atlantiks. Die Meeresströmung ist seit dem Jahr 1900 um etwa ein Grad wärmer geworden, der Atlantik um 0,4 Grad, berichtet Martin Visbeck vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Er gehört zu einem internationalen Forscherteam, das ähnliche Effekte bei fünf Strömungssystemen gefunden hat, die jeweils in den Subtropen am Westrand eines Ozeanbeckens beginnen und sich dann polwärts und nach Osten erstrecken ( Nature Climate Change, online). Dazu gehören der Kuroshio-Strom vor der chinesischen Küste sowie warme Strömungen vor Südafrika, Brasilien und Australien. Alle haben sich etwa zwei- bis dreimal so stark erwärmt wie die globale Durchschnittstemperatur der Weltmeere. Für die Küsten, vor denen sie entlangfließen, bedeutet das auch eine überdurchschnittliche Erwärmung. Im Golfstrom etwa wälzen sich 100 Milliarden Liter Wasser pro Sekunde langsam gen Europa.

Die Datenlage für die Wissenschaftler war allerdings nicht optimal. Großflächige, repräsentative Messungen der Wassertemperaturen bis zum Jahr 1900 gibt es nicht. Die Forschergruppe hat sich darum auf acht verschiedene Datensätze gestützt, die die Temperaturentwicklung rekonstruieren. Alle zeigen die stärkere Erwärmung der fünf Ozeanströmungen. Zudem haben sich die nach Osten weisenden Äste - beim Golfstrom das warme Wasser, das Europa erreicht - offenbar leicht zum Pol hin verschoben.

Was das alles bedeutet, und wie sich die Veränderungen erklären lassen, ist den Wissenschaftlern noch nicht klar. "Alles deutet auf eine Veränderung der globalen Ozeanzirkulation durch den Klimawandel hin", sagt Visbeck. Aber der Patient Ozean brauche eine Art Langzeit-EKG, "mit sporadischen Messungen werden wir die Ursache nur sehr schwer finden".

© SZ vom 31.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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