Geschichte Amerikas:Die Speerspitzen eines Kontinents

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Bislang galt die Clovis-Kultur als die erste prähistorische Kultur Nordamerikas. Doch sie existierte dort nicht allein. Archäologen haben in Oregon Spuren einer zweiten Kultur entdeckt.

Sebastian Herrmann

Die ersten Siedler erreichten Amerika vor etwa 15.000 Jahren, als der Kontinent über eine Landbrücke mit Asien verbunden war. Die Menschen zerstreuten sich rasch über das weite Land ihrer neuen Heimat und kolonisierten sämtliche Gebiete bis in die abgelegenen Ecken Südamerikas.

Dennis Jenkins von der University of Oregon zeigt drei Speerspitzen aus den Paisley-Höhlen in Oregon. Sie stammen aus einer Kultur, die gleichzeitig mit der bekannten Clovis-Kultur existiert haben muss. (Foto: Jim Barlow)

Die erste prähistorische Kultur, die sich vor etwa 12.500 Jahren in Nordamerika entwickelte, bezeichnen Forscher als Clovis-Kultur. Sie zeichnet sich durch die charakteristische Form der Speerspitzen aus Stein aus, die deren Angehörige fertigten.

Allerdings bildeten die Clovis doch nicht die erste Kultur des Kontinents- sie hatten Rivalen. Wie ein internationales Team von Anthropologen und Archäologen in Science berichtet (Bd. 337, S. 223, 2012), lebten gleichzeitig Menschen in Nordamerika, die eigene Fertigungstechniken für Speerspitzen pflegten - also eine Kultur hatten, die sich von jener der Clovis unterschied.

Die Wissenschaftler untersuchten Funde und Grabungsorte in den Paisley-Höhlen in Oregon, um diese so genau wie möglich zu datieren. Die steinernen Speerspitzen aus den Höhlen wurden per Radiokarbonmethode auf ein Alter von etwa 11.340 Jahren datiert.

Durch zusätzliche Analysen von Erbgutresten in Koprolithen - das sind vertrocknete, prähistorische Reste von Kot, die in der archäologischen Forschung eine bedeutende Rolle spielen - konnte gezeigt werden, dass die Höhlen von Paisley sogar schon 1000 Jahre vor Herstellung der Speerspitzen besiedelt waren.

Doch Kritiker gaben stets zu bedenken, dass die Grabungsschichten der Höhle nicht genau genug analysiert worden seien. Außerdem könnte es sich bei den Koprolithen auch um Tierexkremente handeln, die nachträglich - etwa durch menschlichen Urin, der durch den Boden der Höhle sickerte - irreführend verunreinigt worden sind.

Diese Zweifel konnten die Forscher um Dennis Jenkins von der Universität von Oregon wohl ausräumen. Das Team datierte 141 Funde per Radiokarbonmethode neu und analysierte die Grabungsschichten im Millimeterabstand. "Die Debatte darüber, ob die Clovis die erste Kultur waren, ist damit beendet", sagt Tom Stafford vom Centre for Geo Genetics.

Neben den Clovis gab es demnach also eine zweite, noch namenlose Kultur im prähistorischen Nordamerika.

© SZ vom 13.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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