Genetik:Nessies Erbgut

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Loch Ness ist das größte Süßwasserreservoir Großbritanniens. (Foto: AP)

Forscher aus Neuseeland wollen DNA aus dem Wasser von Loch Ness analysieren. Das hat einen seriösen Anlass - und trotzdem wird fast nur über das legendäre Wassermonster geredet.

Von Hubert Filser

Das Ungeheuer von Loch Ness ist schon auf viele spektakuläre Arten gesucht worden, und natürlich sind alle Fahndungen kläglich gescheitert. Nun will der neuseeländische Evolutionsbiologe Neil Gemmell von der Universität Otago mit einer neuen Technologie ergründen, ob in den Tiefen von Großbritanniens größtem Süßwasserspeicher tatsächlich das legendäre Wassermonster lebt. Sein Team wird dafür an mehreren Stellen des 226 Meter tiefen Sees zwei Wochen lang etwa 300 Wasser- und Sedimentproben nehmen und die darin enthaltenen DNA-Bruchstücke verschiedenster Lebewesen analysieren und zuordnen - möglicherweise auch das Erbgut von Nessie. "Ich persönlich glaube nicht an das Monster", sagt Gemmell. "Aber als Wissenschaftler bin ich offen. Es gibt noch immer neue Dinge zu ergründen, die wir bislang nicht vollständig verstehen. Vielleicht gibt es für manche Legende doch eine biologische Erklärung."

Die Idee hinter dem Verfahren ist einfach: Überall in der Umgebung, also auch in einem Gewässer wie Loch Ness, finden sich genetische Spuren der dort lebenden Tiere, Pflanzen und Bakterien. Tiere geben winzige Teilchen wie Hautpartikel, Haare, Federn, Kot oder Urin an die Umwelt ab, Schnecken oder Muscheln etwa Schleim, Fische Schuppen. Die DNA eines Tiers aus dem Loch Ness findet sich also im Seewasser. Die DNA-Fragmente holen die Forscher mit einem feinporigen Filter aus dem Wasser, reinigen und sequenzieren sie dann. Forscher nennen diese Spuren Umwelt-DNA oder eDNA (e steht für environmental, also "aus der Umwelt"). Gemmells Team erwartet Hinweise auf Tausende verschiedene Arten im See.

Die Wissenschaftler werten ihre Proben in Speziallaboren in Australien, Dänemark, Frankreich und Neuseeland aus und gleichen sie dort mit in Datenbanken gespeicherten Gensequenzen ab. Das Verfahren kann also eher bekannte Arten erkennen als neue aufspüren. Bei unbekannten Sequenzen müssen sich die Forscher langsam vortasten und nach verwandten Arten suchen. "Wenn wir in unseren Wasserproben Sequenzen fänden, die an ein Reptil erinnern, könnten wir dieser Spur folgen", sagt Gemmell.

"Ich habe keinen Zweifel, dass wir im See unbekannte Arten finden werden."

Gemmell nutzt die Methode seit drei Jahren in Neuseeland, um etwa zu messen, wie sich die Biodiversität an Küstenabschnitten unterscheidet. US-Forscher bestimmten damit in New Yorker Gewässern wie dem East River oder dem Hudson River, ob neue Fischarten aus dem Meer eingewandert waren. Solche eDNA-Untersuchungen würden das Monitoring von Fischen und anderen Arten vereinfachen, schrieben die Forscher in Plos One. So ließe sich routinemäßig und relativ kostengünstig das ökologische Profil jedes Gewässers messen, sozusagen der genetische Code aller Bewohner. Das ist in Zeiten des Klimawandels spannend, wo oft neue Arten in die Ökosysteme einwandern. Zuletzt gab es dazu zahlreiche Publikationen in Fachmagazinen wie Nature Communications.

"Ich habe keinen Zweifel, dass wir im See unbekannte Arten finden werden", sagt Gemmell. Auch wenn niemand aus dem Team ernsthaft erwartet, wirklich auf Nessie zu stoßen, ließen sich doch zumindest manche Hypothesen testen. So könnten die Forscher etwa ausschließen, dass es sich beim Monster um einen riesigen Fisch wie einen Wels, Aal oder Stör oder eine Wasserschlange handelt.

Im Frühjahr 2019 werden die ersten Ergebnisse vorliegen. Die größte Hoffnung der Nessie-Sucher ist aber, dass die Forscher im See eine unbekannte Erbgut-Monster-Sequenz aufspüren, aus den Schuppen oder der Haut eines geheimnisvollen Wasserwesens.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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