Fragen und Antworten zu Ehec:Ein lebensgefährlicher Erreger

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Bislang war das Ehec-Bakterium fast nur Fachleuten ein Begriff. Dann breitete es sich 2011 rasant in Deutschland aus, es gab 52 Todesopfer. Woher aber kommt der Erreger? Und wie kann man sich vor ihm schützen?

Markus C. Schulte von Drach

Zwar werden jedes Jahr etwa 1000 Fälle von Ehec-Infektionen in Deutschland gemeldet, doch eine Ausbreitung des Erregers wie 2011 gab es noch nicht: Innerhalb einiger Wochen hatten sich mehr als 4300 Menschen mit dem Ehec-Erreger infiziert, 3050 erkrankten, 850 entwickelten das lebensgefährliche HUS, 52 Patienten sind gestorben.

In einer Petrischale wachsen E.-Coli-Bakterien. Die Ehec-Erreger haben in Deutschland mehrere Todesopfer gefordert. (Foto: dapd)

Was ist Ehec?

Ehec ist die Abkürzung für Enterohämorrhagische Escherichia coli. Dabei handelt sich um Stämme des Bakteriums E. coli, das beim Menschen unter normalen Umständen im Darm lebt und dort sogar wichtige Aufgaben erfüllt: Die Mikroorganismen spalten Nährstoffe und bremsen die Ausbreitung anderer schädlicher Keime im Darm. Außerhalb des Darms kann auch die sonst harmlose Variante der Kolibakterien zu Krankheiten führen - etwa zu Harnwegsinfektionen oder Bauchfellentzündungen.

Ehec-Bakterien sind allerdings besonders gefährlich, da sie starke Zellgifte (Shiga- und Verotoxine) im Darm freisetzen. Der Ehec-Stamm tritt vor allem in Wiederkäuern, also Rindern, Schafen und Ziegen, aber auch Rotwild, auf. Nachgewiesen wurden die Bakterien allerdings auch in Schweinen und Geflügel, Hunden, Katzen und wilden Vögeln. Über diese Tiere kann man sich direkt oder indirekt infizieren: entweder durch den Verzehr der entsprechenden Fleisch- oder Milchprodukte, oder aber über Nahrungsmittel aus Pflanzen, die mit Fäkalien infizierter Tiere in Kontakt gekommen sind - etwa über Gülle.

Nicht jede Infektion mit dem Kolibakterium führt zu Krankheitssymptomen. Es kann passieren, dass ein Betroffener die Keime über einen Zeitraum von mehreren Wochen ausscheidet, ohne die Infektion selbst zu bemerken. Allerdings kann er in dieser Zeit andere Menschen anstecken, was die Keime besonders heimtückisch macht. Kommt es zur Krankheit, so treten nach der Infektion innerhalb von einem Tag bis zu etwa einer Woche (im Durchschnitt sind es drei bis vier Tage) Übelkeit, Erbrechen und wässriger Durchfall auf.

Rohes Fleisch ist ein Risikofaktor für die Ehec-Infektion (Foto: AP)

Bei einem schweren Verlauf beobachtet man Blut im Stuhl. Ein Arzt sollte dies zum Anlass nehmen, einen Ehec-Test vorzunehmen. Weitere Symptome sind Bauchkrämpfe. Fünf bis zehn Prozent der Infizierten entwickeln nach etwa einer Woche eine sehr schwere Krankheit: Das Gift der Bakterien kann das hämolytisch-urämische Syndrom HUS auslösen: es drohen Blutarmut (geringe Zahl roter Blutkörperchen), Gefäßschädigung, verringerte Zahl roter Blutplättchen (Gerinnungsstörung) und Nierenversagen. Während der Epidemie 2011 zeigten viele der schwer erkrankten Patienten auch neurologische Ausfälle wie Sprachstörungen, Zuckungen ode sogar epileptische Anfälle.

Die Komplikationen können tödlich sein: Mindestens 50 Patienten sind dieses Jahr bereits gestorben. Im vergangenen Jahr forderte das HUS ebenfalls zwei Todesopfer. Besonders betroffen sind normalerweise Kinder im Alter bis zu fünf Jahren. Ein bis fünf Prozent der erkrankten Kinder sterben aufgrund der Infektion. Überlebende Patienten können schwere Gesundheitsschäden wie eine beeinträchtigte Nierenfunktion und Bluthochdruck zurückbehalten.

Normalerweise lassen sich Bakterien - im Gegensatz zu Viren - mit Antibiotika behandeln. Werden die Ehec-Keime aber getötet oder beschädigt, so setzen sie Giftstoffe frei, was die Symptome der Krankheit verstärkt, weshalb keine Antibiotika eingesetzt werden sollten.

Gemüse kann mit Ehec-Bakterien kontaminiert sein. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wichtig ist eine frühe Diagnose. Personen mit blutigem Durchfall sollten sofort einen Arzt aufsuchen, der versucht, Ehec nachzuweisen. Bei Anzeichen eines HUS müssen die Patienten in ein geeignetes Krankenhaus eingewiesen werden. Die Behandlung konzentriert sich auf die Symptome. So ist eine wichtige Maßnahme der Ausgleich des Flüssigkeits- und des Salzverlustes durch Durchfall. In schweren Fällen wird eine Blutwäsche vorgenommen. Inzwischen wird auch ein neuer Wirkstoff namens Eculizumab eingesetzt. Dieser Antikörper konnte 2010 bei drei Kindern die HUS-Symptome abschwäschen. Gegenwärtig wird er bei den schwersten Fällen verwendet.

Seit dem Jahr 2001 besteht eine Meldepflicht der Infektionen in Deutschland. Seit diesem Zeitraum wurden jährlich etwa 1000 Fälle gezählt, von denen aber die meisten einen leichten Verlauf nehmen. Betroffen waren bislang vor allem Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.

Unter den Patienten sind verhältnismäßig viele Kinder im Alter von bis zu vier Jahren. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden zum Beispiel 2010 insgesamt 65 Fälle schwerer Ehec-Erkrankung, dem HUS, gemeldet. Nur sechs davon waren älter als 18 Jahre. Der Ausbruch 2011 war deshalb ungewöhnlich.

Über einen sehr kurzen Zeitraum waren extrem viele Fälle aufgetreten. Mehr als 4300 Infektionen wurden zwischen Anfang Mai und Anfang Juli registriert, vor allem in Norddeutschland. 850 Patienten waren vom besonders gefährlichen HUS betroffen - deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. 52 infizierte Patienten sind gestorben.

Auffällig war auch, dass vor allem erwachsene Frauen infiziert waren.

Eine Infektion kann von Mensch zu Mensch erfolgen.

Die Erreger werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei mangelhafter Hygiene können sie auf die Hände geraten, von dort aus weiter auf Gegenstände, wo sich andere Menschen über die sogenannte Schmierinfektion anstecken. Betroffen sind insbesondere Gruppen von Menschen, die dieselbe Toilette benutzen, etwa Familien oder Kindergärten. Auch Personen, die leicht in Kontakt mit Fäkalien kommen - etwa Eltern, die Säuglinge wickeln oder Kranken- und Altenpfleger.

Die erste Infektion findet häufig über Lebensmittel statt.

Ursprünglich befanden sich die Bakterien dann vermutlich in einem Tier, das die Erreger ausgeschieden hat oder das selbst verzehrt wird. Auch während des Schlachtens ist eine Infektion möglich, oder durch das Streicheln von infizierten Tieren. Das Fell von Kühen, Schafen oder Ziegen ist häufig mit Kot verunreinigt.

Riskant ist der Konsum von rohem oder nicht ausreichend gegartem Fleisch oder von Rohprodukten, die nicht ausreichend gereift sind - zum Beispiel Rohwurst. Rohe oder nicht ausreichend erhitzte Milch kann die Keime beinhalten, die bei der Milchgewinnung über winzige Verunreinigungen in das Produkt geraten können. Nach einer Pasteurisierung sind die Bakterien aber abgetötet. Entsprechende Milch und Milchprodukte sind demnach normalerweise frei von Ehec-Bakterien.

In Gemüse, in Gewürzen oder Tee können die Bakterien stecken, wenn die Pflanzen mit dem Kot (etwa als Dünger) von infizierten landwirtschaftlichen Nutztieren oder aber von Wildtieren kontaminiert wurden. Da die Infektion über Lebensmittel möglich ist, liegt natürlich eine besondere Verantwortung beim Personal von Großküchen und Kantinen. Umgekehrt können dort weitere Nahrungsmittel über das Personal verunreinigt werden.

Wo Bade- oder Trinkwasser in Kontakt mit Kot kommt, kann es ebenfalls zu Infektionen kommen. Das ist in Deutschland allerdings normalerweise nicht der Fall.

Die Infektion erfolgt bereits bei einer geringen Zahl von Bakterien (zehn bis 100 Keime) - und deshalb leichter als etwa mit Salmonellen. Die Häufung der Infektionen 2011 ließ sich nicht auf rohes Fleisch zurückführen, da nur wenige Patienten solches konsumiert hatten. Auch Rohmilch und Frischkäse schienen keine Rolle zu spielen. Im Verdacht stand schnell ungewaschenes Gemüse. Die Behörden warnten aufgrund von Studien mit Patientenbefragungen und die Untersuchung von Lieferwegen vor Salat, Gurken, Tomaten und Sprossen. Bockshornkleesprossen aus Ägypten waren letztlich dann auch tatsächlich der Auslöser der Epidemie, wie die Behörden ermitteln konnten.

Eine Impfung existiert nicht. Grundsätzlich, so empfehlen etwa die Experten des Robert-Koch-Instituts, sollten die Hände nach jedem Kontakt oder möglichen Kontakt mit Fäkalien gut gereinigt werden - das gilt vor allem für Eltern und Pflegekräfte. Besteht der Verdacht, dass im Umfeld eine Ehec-Infektion aufgetreten ist, sollten keine Handtücher gemeinsam benutzt werden. Auf rohe Nahrungsmittel (Rohmilch, Rohmilchprodukte, rohes oder nicht ausreichend erhitzte Fleisch- oder Wurstprodukte) sollte verzichtet werden - insbesondere wenn Sie mit Säuglingen, Kleinkindern, alten oder kranken Menschen zu tun haben.

Lebensmittel sollten laut RKI für zehn Minuten bei einer Kerntemperatur von mindestens 70 Grad Celsius erhitzt werden. Rohes Fleisch, Rohmilch und auch Eier sollten nicht in Kontakt mit anderen Lebensmitteln kommen, die später roh verzehrt werden (zum Beispiel Salat). Geschirr und Arbeitsgeräte sollten nach der Zubereitung der rohen Produkte gut gereinigt werden. Beim Besuch eines Streichelzoos oder eines Bauernhofes müssen Eltern darauf achten, dass Kinder nichts essen oder ihre Finger in den Mund stecken, bevor sie sich die Hände gut gewaschen haben.

(Informationsquellen: Robert-Koch-Institut und Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.)

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