Ginge es nur nach der Meinung der anwesenden Experten, stünde es 4:3 für das Fracking. Die umstrittene Bohrtechnik soll nach Plänen der Bundesregierung per Gesetz geregelt werden, und im Rahmen der parlamentarischen Beratung hatte der Umweltausschuss des Bundestages am Montag sieben Fachleute zur Anhörung eingeladen.
Drei kamen von Umweltorganisationen und sagten "Nein" zu Entwurf und Technik. Fracking berge "eine ganze Reihe von Risiken, deren Beherrschbarkeit noch nicht gewährleistet ist", stellte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe fest.
Drei weitere Experten vertraten Wasserwirtschaft und kommunale Unternehmen, und der siebente die Wissenschaft; ihre Antwort war: Ja, aber. "Die Gewinnung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten muss weiter möglich sein, die aus unkonventionellen ermöglicht werden, sofern Umwelt- und Sicherheitsfragen dem nicht entgegenstehen", erklärte zum Beispiel Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Berichte über verseuchtes Trinkwasser
Das Fracking ist eine Technik, um unterirdische Risse zu erzeugen, oft in Schiefergestein. Dazu wird zunächst der Drill bei einer Bohrung in der Tiefe in die Horizontale geschwenkt. Aus den so entstandenen Schächten wird Wasser mit etwas Sand und chemischen Additiven ins Gestein gepresst, um Wegbarkeiten zu schaffen, durch die in Poren eingeschlossenes Erdgas zum Förderschacht strömen kann.
Mit dieser Technik haben Unternehmen in den USA geradezu einen Gasboom ausgelöst. Aber aus den betroffenen Bundesstaaten gibt es auch viele Berichte über verseuchte Trinkwasser-Brunnen. Laut einem aktuellen Bericht der amerikanischen Umweltbehörde EPA handelt es sich dabei um Einzelfälle; es gebe keinen "systematischen Einfluss auf die Wasserressourcen". Allerdings kann das Amt auch nicht ausschließen, dass es die Zahl der Fälle unterschätzt, weil es nicht genügend Daten aus der Zeit vor Beginn der Bohrungen gibt.
Unter diesem Eindruck wollte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ein "Fracking-Verhinderungsgesetz, mindestens aber ein Fracking-Einschränkungsgesetz" vorschlagen. Demnach soll das Verfahren in sensiblen Gebieten der Trinkwasserversorgung grundsätzlich und in Tiefen bis zu 3000 Metern großteils verboten werden. Probebohrungen zu Forschungszwecken bleiben aber erlaubt. Darüber soll eine speziell gebildete Expertenkommission mehrheitlich entscheiden.
An diesen Ausnahmen entzündete sich bei der Anhörung viel Kritik. Die Grenze von 3000 Metern sei willkürlich, sagten mehrere Experten. Schon der Bundesrat hatte Anfang Mai gefordert, die Angabe ersatzlos zu streichen, also in allen Tiefen gleich strenge Regeln anzuwenden.
"Die Expertenkommission öffnet Tür und Tor für kommerzielle Vorhaben", sagte in der Anhörung Ulrich Peterwitz vom Verband Kommunaler Unternehmen, dem viele lokale Wasserwerke angehören. Die Organisation lehnt das Fracking-Gesetz zwar nicht komplett ab, es gehe in "zentralen Punkten allerdings nicht weit genug". So solle die Kommission nur einstimmige Voten abgeben dürfen. Und bevor es eine kommerzielle Nutzung gebe, müssten sämtliche Erprobungsbohrungen ausgewertet sein, so Peterwitz.
In der Kommission könnten Fracking-Befürworter die Gegner der Technik "niederstimmen", warnte Oliver Kalusch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Er forderte darum, dass die Kommission unter Beteiligung der Zivilgesellschaft pluralistisch zusammengesetzt wird. Ohnehin könnte das Gremium verfassungswidrig sein, besagt ein Gutachten des Oldenburger Rechtsprofessors Volker Boehme-Neßler, über das die SZ Ende vergangener Woche berichtet hatte. Das Parlament gebe zentrale Kompetenzen ab.
150 000 mögliche Frackingvorgänge allein in NRW
Weitere Kritik richtete sich in der Anhörung gegen Erprobungsbohrungen. Laut Georg Buchholz vom Naturschutzbund Deutschland bekämen Länderbehörden keine effektive Möglichkeit die Zahl der Projekte auch nur zu begrenzen. Weil auch die "Erforschung förderbarer Potenziale" von Gas als wissenschaftlicher Zweck gelte, "können Unternehmen jede gewöhnliche Aufsuchung als Erprobungsvorhaben definieren". Ulrich Peterwitz bezifferte die Zahl möglicher Frackingvorgänge auf 150 000 allein in Nordrhein-Westfalen.
Rolf Emmermann von der Technikakademie Acatech warb darum erneut für die Einrichtung von nur vier Pilotprojekten in Deutschland. Zwei sollten die Förderung von Schiefergas erkunden, zwei weitere Fracking im Dienst von geothermischen Kraftwerken erproben. In jedem Fall solle vor, im und nach dem Betrieb die betreffende Region umfassend erkundet und überwacht werden. Einen detaillierten Vorschlag dazu hatte Acatech am Montag veröffentlicht.