Erfolgreiche Suche nach dem Gottesteilchen?:Im Partikelfieber

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Seit Wochen kursieren die Gerüchte - nun ist es endlich so weit: Physiker des Forschungszentrums Cern bei Genf wollen der Öffentlichkeit das Signal eines neuartigen Partikels präsentieren. Ist es das seit mehr als 30 Jahren gesuchte Higgs-Boson, das den Grundbausteinen des Universums ihre Masse verleihen soll?

Patrick Illinger

Teilchenphysiker konnten ihre Aufregung in den vergangenen Tagen kaum mehr unterdrücken. Ob man sie traf oder Blogbeiträge im Internet las: Mit fast kindlicher Vorfreude kreisten die Gespräche um ein "Seminar", das an diesem Mittwoch, 4. Juli, um neun Uhr morgens am Forschungszentrum Cern bei Genf abgehalten werden soll. Ihr Überschwang ließ ahnen, dass der Begriff Seminar eine maßlose Untertreibung ist. An diesem Mittwoch wollen die gut 5000 am Cern tätigen Physiker einen der größten Fahndungserfolge in der Geschichte ihrer Wissenschaft verkünden.

Erfolgreiche Suche nach dem Gottesteilchen?: Die Grafik illustriert den Zerfall eines Higgs-Bosons - ein Teilchen, dem die Physiker seit mehr als 30 Jahren auf der Spur sind. Haben sie das populärwissenschaftlich auch als "Gottesteilchen" bezeichnete Boson nun entdeckt?

Die Grafik illustriert den Zerfall eines Higgs-Bosons - ein Teilchen, dem die Physiker seit mehr als 30 Jahren auf der Spur sind. Haben sie das populärwissenschaftlich auch als "Gottesteilchen" bezeichnete Boson nun entdeckt?

(Foto: AFP/Cern)

Das deutliche Signal eines neuartigen Partikels soll der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um das seit mehr als 30 Jahren gesuchte "Higgs"-Teilchen, welches den bereits bekannten Grundbausteinen des Universums ihre Masse verleihen soll. Ob sie ausdrücklich von einer "Entdeckung" sprechen wollen, darüber waren die Cern-Physiker noch am Vortag ihres Seminars uneins. Zu groß ist bei manchen Forschern die Sorge, das gemessene Signal könnte sich am Ende doch noch als Artefakt erweisen. Womöglich wurde bei den Messungen mit den kirchenschiffgroßen, unterirdischen Detektoren ein teuflischer Fehler übersehen, der die Daten verzerrt.

Andererseits lässt das aus Milliarden energiereichen Protonen-Zusammenstößen mühsam herausgefilterte Signal nach Angaben teils anonym bloggender Cern-Physiker praktisch keine Zweifel mehr zu: Zwei große Experimente am unterirdischen Beschleunigerring des Cern, Atlas und CMS, haben es unabhängig voneinander gemessen. In beiden Fällen liege die Wahrscheinlichkeit für einen Zufall bei weniger als 0,0001 Prozent. Damit ist die Schwelle erreicht, von der an Experimentalphysiker üblicherweise von einer Entdeckung sprechen.

Dass ein neues Teilchen aufgetaucht ist, scheint somit sicher zu sein. Weniger sicher hingegen ist, dass es sich exakt um das 1964 vom schottischen Physiker Peter Higgs vorgeschlagene Partikel handelt, das sogenannte Standardmodell-Higgs. Dieses soll der Theorie zufolge eine Art Äther im gesamten Universum erzeugen, der allen bekannten Materie-Bausteinen wie dem Elektron und den Atomkernen ihre Massen verleiht. Das Rätsel der Teilchenmassen war lange Zeit das größte Manko in dem ansonsten recht stabilen Theoriegerüst, mit dem Physiker den Aufbau des Universums beschreiben.

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