Erdbeben:Forscher wollen Erdbeben mit Glasfaserkabeln messen

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  • "Unsere Methode ist ähnlich empfindlich wie klassische Seismometer, aber deutlich kostengünstiger", sagen die Forscher zu ihrer Idee.
  • Größere Flächen könnten so über längere Zeiträume beobachtet werden und dadurch mehr Informationen für Frühwarnsysteme gewonnen werden.
  • Die Forscher konnten bereits Ausbreitungswellen von Erdbeben unterschiedlicher Stärken und die Beschaffenheit von Permafrostböden messen.

Von Andrea Hoferichter

Millionen Kilometer Glasfaserkabel durchkreuzen die Böden der Welt: Bündel aus Lichtwellenleitern, die längst nicht alle für den digitalen Datenverkehr gebraucht werden. In vielen Fasern herrscht schlicht Dunkelheit. Geht es nach Forschern um Jonathan Ajo-Franklin vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien, könnte sich das bald ändern. Sie wollen das unterirdische Netzwerk nutzen, um den Boden abzuhören und unter anderem Erdbeben aufzuspüren. Denn bewegt sich der Boden, verformt er Kabel samt Fasern und das lässt sich mit Laserlicht messen.

"Unsere Methode ist ähnlich empfindlich wie klassische Seismometer, aber deutlich kostengünstiger", sagt Ajo-Franklin. Größere Flächen könnten so über längere Zeiträume beobachtet werden und dadurch mehr Informationen für Frühwarnsysteme gewonnen werden als bisher. Erste Versuche mit eigens dafür verlegten Kabeln in Kalifornien und Alaska verliefen erfolgreich. Die Forscher konnten Ausbreitungswellen von Erdbeben unterschiedlicher Stärken und die Beschaffenheit von Permafrostböden messen, wie sie kürzlich in den Fachblättern Scientific Reports und Geophysical Research Letters berichteten.

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Außerdem haben die Wissenschaftler Bodenbewegungen gemessen, die entstehen, wenn Autos über Asphalt oder Züge über Schienen donnern. "Allein aus dem Verkehrsrauschen können wir die Beschaffenheit des Bodens ableiten und berechnen, wie viel Wasser er enthält", erklärt der Wissenschaftler. Änderungen des Rauschmusters wiederum könnten Wasserpegelschwankungen, tauende Böden oder Erdrutsche anzeigen. Mit Messungen an Glasfaserkabeln im Meeresboden könnte zudem künftig die Aktivität von Unterwasservulkanen oder die Explosionswucht bei Atomwaffentests ermittelt werden.

Mit einer einzigen Faser könnte man tausende Messpunkte überwachen

Die Technologie dahinter nennen Geophysiker "ortsverteilte akustische Messungen" oder kurz DAS ("Distributed Acoustic Sensing"). Sie kommt auch zur Überwachung von Erdbohrungen und Pipelines zum Einsatz. Dabei werden immer wieder Laserpulse in die nicht einmal einen Millimeter dünnen Fasern aus Quarzglas geschossen. Teile des Lichts werden an verschiedenen Stellen in der Faser gen Laser zurückgestreut und dort von Sensoren erfasst.

Bewegt sich der Boden und drückt auf Kabel inklusive Fasern, werden diese länger. Das ändert die Laufzeit des Lichts und beeinflusst, wie sich Signale, die von zwei unterschiedlichen Orten in der Faser kommen, überlagern. Sie können sich auftürmen oder auslöschen wie Meereswellen in der Brandung. "Aus den Änderungen des rückgestreuten Lichts können wir ermitteln, wo und wie stark eine Faser gezogen oder gequetscht wurde", berichtet Ajo-Franklin. Mit einer einzigen Glasfaser ließen sich so Tausende Messpunkte über zig Kilometer erfassen.

"Es ist faszinierend, was mit diesem Verfahren alles möglich ist", sagt Thomas Reinsch vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Sein Team habe DAS-Messungen in Island gemacht und sei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. "Allerdings gehen unsere Untersuchungen einen Schritt über die klassischen Themen wie Erdbeben-, Wasserpegel- oder Permafrostmessungen hinaus, die ja grundsätzlich auch mit klassischen Methoden funktionieren", sagt der Geophysiker. Mehr will er nicht verraten, denn die Studie seines Teams sei gerade erst zur Veröffentlichung eingereicht worden. "Fortsetzung folgt" heißt es auch für das Ajo-Franklin-Team. Die Wissenschaftler wollen den Permafrostboden in Alaska weiter im Blick behalten und das neue Verfahren in verschiedenen Telekommunikationsnetzen Kaliforniens testen.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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