Kennt zufälligerweise irgendjemand hier einen guten Traumdeuter", fragt Cäsar in seinem letzten Eintrag bei Facebook. "Meine liebe Gattin Calpurnia hatte die ganze Nacht Albträume von irgendwelchen Dolchen." Man schreibt die Iden des März im Jahr 710 römischer Zeitrechnung. Nach heutiger Konvention ist es der 15. März 44 vor Christus - Cäsars Todestag. Der Herrscher wird vor einer Senatssitzung erstochen. Kleopatra hat ihn, ebenfalls per Facebook, noch vor Brutus gewarnt, doch Cäsar fühlt sich sicher: "Keine Angst, der ist doch fast wie ein Sohn für mich!"
Wie bitte? Cäsar kommuniziert in den modernen sozialen Medien? Tatsächlich findet man ihn auf Facebook. Es ist die neueste Idee eines Projekts, Altertumsforschung in die Gegenwart zu heben. Zentraler Teil dieses Vorhabens von Archäologen um Susanne Muth von der Berliner Humboldt-Universität und des Deutschen Archäologischen Instituts in München ist eine digitale Version des Forum Romanum - eine Rekonstruktion, teilweise unter Einsatz aktueller Architekten-Software.
Als Basis diente dabei nicht nur das heute vorhandene Ruinenfeld aus der Spätantike. Es stammt schließlich aus einer Zeit, als das Römische Reich schon nicht mehr von Rom regiert wurde. Die Überreste hatte man im 19. und 20. Jahrhundert auf einem vergessenen Platz ausgegraben, den die Römer "campo vaccino" nannten - Kuhweide.
So sauber war das Forum nie
Das "Digitale Forum Romanum" der Berliner Forscher zeigt Europas Machtzentrum in sieben Epochen - von 200 Jahre vor bis 310 Jahre nach der Zeitenwende. "Diachroner Wandel", nennt Muth das. Elf weitere Epochen sollen folgen, sodass die Modelle 14 Jahrhunderte überspannen, vom Markt des königlichen Roms zum mittelalterlichen Steinbruch, von dem später Marmor für den Bau des Petersdoms geholt wurde. "Wenn ich geahnt hätte, wie viel Arbeit das wird, hätte ich die Finger davon gelassen", sagt Muth etwas kokett, denn auf das Ergebnis ist sie stolz.
Zu Recht, sagt Martin Zimmermann, Professor für alte Geschichte an der Universität München: "Das ist großartig, die Modelle stellen wirklich den aktuellsten Forschungsstand dar." Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: So sauber und ästhetisch sei das Forum aber nie gewesen, sondern bunt, schmutzig und belebt. "Augustus hat den Zustand, der seinem Todesjahr zugeordnet wird, nie so gesehen, weil es da ständig Baugerüste gab."
Seit dem vergangenen Herbst lässt sich die Arbeit im Internet erkunden (digitales-forum-romanum.de), und seit einigen Tagen auch in der Realität: Muths Arbeitsgruppe hat zwei Räume für eine Ausstellung bekommen. Sie waren eigentlich sogar schon 1912 dem damaligen Leiter zugesagt worden, aber vor allem die Weltkriege und die DDR-Zeit hatten die Fertigstellung behindert.