Archäologie:Das Leben eines Kriegers

Archäologie: Besitz eines Kriegers der Schlacht an der Tollense.

Besitz eines Kriegers der Schlacht an der Tollense.

  • Das Schlachtfeld an der Tollense in Mecklenburg-Vorpommern ist eine archäologische Schatztruhe aus der Bronzezeit.
  • Anhand der Habseligkeiten eines Kriegers haben Forscher nun das Leben vor 3000 Jahren rekonstruiert.
  • Zumindest einige Kämpfer kamen demnach für die Schlacht von weit her.

Von Viktoria Spinrad

Es muss einst martialisch zugegangen sein auf Europas ältestem Schlachtfeld. Gefundene Schnitt- und Hiebspuren von Messern, Keulen, Schwertern und Pfeilen, Speerspitzen in Knochen, durchlöcherte Schädel sind in den letzten Jahren Zeugnis dessen gewesen, was für eine blutige Schlacht sich vor 3300 Jahren in einem Sumpfgebiet um den mecklenburgischen Tollense-Fluss zugetragen hat. Das macht das vor zehn Jahren entdeckte Schlachtfeld zu einem fortlaufenden archäologischen Glücksgriff, der ein immer differenzierteres Bild von der damaligen Gesellschaft zeichnet.

Archäologen haben nun herausgefunden, dass zumindest einige der Krieger aus weit entfernten Gegenden kamen. Das schließen sie aus einer im Flusssediment der Tollense gefundenen Sammlung von Alltagsgegenständen, die offenbar einem Teilnehmer der Schlacht gehört hatte. Insgesamt 31 nahe beieinander gefundene Objekte beschreiben die Archäologen um Tobias Uhlig von der Universität Göttingen im Fachjournal Antiquity: darunter eine verzierte Gürteldose, drei Gewandnadeln, ein Meißel und mehrere bearbeitete Bronzestücke, die wohl als Rohmaterialien für Geldmünzen dienen sollten.

Der Fund zeigt, wie mobil und vernetzt die damalige Welt schon war

Der Knackpunkt: Viele der Relikte sind Teile, die so gar nicht typisch für die Region waren - wohl aber für die Gegend um das heutige Frankreich, Süddeutschland und Tschechien. Der Rückschluss der Archäologen: "Es mehren sich die Hinweise, dass zumindest einige der Krieger aus dem südlichen Mitteleuropa stammen", sagt der Prähistoriker Thomas Terberger. Für den Kampf sind Krieger also offenbar über mehrere Hundert Kilometer gen Norden gereist. Schlachten vor 3300 Jahren waren also demnach mehr als lokale Angelegenheiten.

Ein Schluss, den auch Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München zieht. Der Fund zeige, "wie mobil und vernetzt die damalige Welt schon war". Für ihn sind Funde wie dieser ein Grund mehr, die Strukturen in der Vorzeit nicht zu unterschätzen. "Es ist nicht so, dass die Menschen in ihren Hütten saßen und nicht herumkamen." Im Gegenteil, offenbar gab es eine überregionale Infrastruktur. "Das ist wissenschaftlich faszinierend", sagt Stockhammer.

Offen ist derweil, warum Krieger vor mehr als 3000 Jahren anscheinend Hunderte von Kilometern reisten, um im heutigen Norddeutschland zu kämpfen. Eine Frage, über die auch Stockhammer nur spekulieren kann. Die neue Entdeckung zeigt für ihn aber einmal mehr, dass die heutige Sicht auf die damalige Zeit oft verzerrt und romantisiert ist. Anders als viele glauben, lebten die Menschen in der Bronzezeit nicht friedlich im Einklang mit der Natur und ihren Zeitgenossen. "Früher wie heute war der Mensch mobil, tötete und zerstörte immer wieder, sobald er es konnte", sagt Stockhammer. Alles andere sei eine Illusion, die wir aufgeben sollten. "Der Mensch ist kein friedliebendes Wesen."

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