Bienen und Vogelkolonien:20.000 stachelige Leibwächter

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Weil Krähen in Tokio immer wieder eine Kolonie Zwergseeschwalben angreifen, sollen nun Bienen Schutz bieten.

Christian Heinrich

Die Vogelkolonie nistet an einem gefährlichen Ort. Die etwa 4000 Zwergseeschwalben verbringen den Sommer alljährlich auf dem weitläufigen Dach einer Wasseraufbereitungsanlage in der Nähe des Flughafens von Tokio, um ihren Nachwuchs großzuziehen. Gefahr aber droht den Seeschwalben weniger von Flugzeugen als von Krähen. Manchmal sind die Seeschwalben sogar koordinierten Attacken der schwarzen Räuber ausgesetzt: Vor fünf Jahren erbeuteten mehr als 60Krähen in einem einzigen, länger dauernden Angriff auf die Seeschwalben-Kolonie fast 300 Eier und töteten 160 Jungvögel. In diesem Sommer haben die Seeschwalben nun ungewöhnliche Hilfe erhalten - von 20000 Honigbienen.

Bienen: Die Seeschwalben mit ihrem hellen Gefieder werden von den Insekten verschont, die dunklen Krähen dagegen angegriffen. (Foto: Foto: dpa)

Krähen sind zwar als Nesträuber bekannt, aber angesichts des Ausmaßes der Angriffe können sich auch Ornithologen das Verhalten der Tiere kaum erklären. Seit längerem schon versucht die gemeinnützige Organisation Little Tern Project (Zwergseeschwalben-Projekt) die Seeschwalben auf dem Dach der Morigasaki Wasseraufbereitungsanlage zu schützen, bislang ohne Erfolg. "Besonders die Jungvögel sind den Krähen wehrlos ausgesetzt. Auch Netze bieten ihnen keinen Schutz", sagt Naoya Masuda vom Little Tern Project.

Schutz vor Plünderung

Ein städtischer Angestellter hatte schließlich die Idee, Bienenstöcke auf dem Dach aufzustellen. Die Seeschwalben mit ihrem hellen Gefieder würden von den Insekten verschont, die dunklen Krähen dagegen angegriffen - das legen Experimente mit schwarzen und weißen Ballons nahe. Vor die Wahl gestellt, greifen Bienen stets den schwarzen Ballon an. Forscher vermuten, dass diese Reaktion in Verbindung mit Bärenfell steht. Die Insekten greifen wohl Tiere mit dunklem Fell oder Gefieder an, um ihre Bienenstöcke vor Plünderung zu schützen.

Im Herbst 2007 brachte man zunächst zwei Bienenstöcke auf das Dach der Wasseraufbereitungsanlage; im April trafen wie jedes Jahr die Seeschwalben aus dem Süden ein. Bisher kommen die Vögel und die Bienen Masuda zufolge wie "gute Nachbarn" problemlos miteinander aus. Seitdem im Mai ein dritter Stock aufgestellt wurde, patrouillieren etwa 20.000 Bienen auf dem Dach.

Noch kann nicht genau beurteilt werden, ob die Insekten die Krähen tatsächlich angreifen. Dorothea Brückner von der Forschungsstelle für Bienen an der Universität Bremen hält das für möglich. "Es ist bekannt, dass Bienen bei dunklen Farben aggressiv reagieren. Deshalb tragen Imker helle Kleidung", sagt sie. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wild flatternde, schwarze Krähen von den Bienen angegriffen werden, selbst wenn die Vögel es nicht auf den Bienenstock abgesehen haben." Auch Masuda vom Little Tern Project ist optimistisch: "Wir sind zuversichtlich, dass die Krähen vertrieben werden."

© SZ vom 02.08.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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