Atomkatastrophe in Fukushima:Der Wind darf nicht drehen

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Was mit radioaktiven Wolken geschieht, bestimmt das Wetter. Momentan würden sie von Fukushima voraussichtlich auf den Pazifik getrieben. Für Dienstag sind allerdings Nordwind, Regen und Schnee vorausgesagt.

Marlene Weiss

Bei der Explosion im ersten Block der Nuklearanlage Fukushima gelangten radioaktive Stoffe in die Umwelt, und bis die Lage unter Kontrolle ist, wird das schwerbeschädigte Kernkraftwerk wohl weiter Radioaktivität freisetzen. Auch bei der zweiten Explosion gelangte möglicherweise Radioaktivität in die Umwelt.

Prognostizierte Windrichtungen um Japan. Zum Vergrößern klicken Sie bitte in das Bild. Graphik: SZ. (Foto: N/A)

Sollte sich das überhitzte radioaktive Spaltmaterial im Inneren der Reaktorkerne durch die äußere Hülle fressen, könnte die Kontamination der Umgebung katastrophale Ausmaße annehmen. Neben radioaktiven Gasen wie Xenon und Argon breiten sich dann feine Partikel von Spaltprodukten der atomaren Kettenreaktion aus, die sich leicht verflüchtigen - vor allem radioaktive Formen von Jod, Caesium und Strontium.

Was mit solchen radioaktiven Wolken geschieht und wie viel Schaden sie anrichten, bestimmt das Wetter - vor allem Wind und Regen. Noch ist die Situation günstig: Seit Samstag weht der Wind meist aus Westen und treibt die Wolke in Richtung Pazifik. Vorerst soll das auch so bleiben.

Am Dienstag könnte es sich ändern, dann könnte der Wind dem ZDF-Wetterdienst zufolge von Nordosten kommen. Das wäre schlecht, denn er würde die radioaktiven Partikel direkt in Richtung des Großraums Tokio treiben, wo 35 Millionen Menschen leben. Der Wetterdienst Worldmeteo rechnet mit einer solchen Richtungsänderung erst am Mittwoch, doch Windrichtungen sind nur schwer über Tage hinaus vorherzusagen.

Möglicherweise könnten Reste der nuklearen Wolke sogar die Westküste der USA oder Alaska erreichen - dafür müsste der Wind allerdings noch tagelang von Westen wehen. Die Gefahr, dass die Wolke von starken Winden, den sogenannten Jetstreams, bis nach Europa getragen wird, schätzt die ARD-Wetterexpertin Silke Hansen eher gering ein, die Wolke wird wohl kaum die entsprechende Höhe erreichen. Sie vermutet vorerst, dass sich das radioaktive Material über dem Pazifik verbreitet.

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Eine weitere Unbekannte ist der Niederschlag: Von Dienstag an sagt der Wetterbericht in der Region Fukushima Regen und Schnee voraus. Das ist eher ungünstig, denn mit dem Niederschlag kämen auch die radioaktiven Stoffe aus der Atmosphäre auf die Erdoberfläche.

Mit dem abfließenden Wasser könnten sie auch tiefere Bodenschichten verseuchen, was eine spätere Dekontaminierung erschweren würde. Zudem ist es so erst recht unberechenbar, welches Gebiet wie stark verseucht ist.

Der ehemalige Chef der deutschen Atomaufsicht, Wolfgang Renneberg, sieht China und Russland durch die Strahlung gefährdet, Deutschland hingegen werde wegen der großen Entfernung fast nicht getroffen. An der russischen Pazifikküste wird stündlich die Strahlenbelastung gemessen. Die Grenzwerte wurden den Behörden zufolge bislang an keiner Stelle überschritten.

© SZ vom 14.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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