Astronomie:Planet Neun, der Sündenbock der Wissenschaft

Lesezeit: 2 Min.

Planet Neun (Illustration) wird am Rande des Sonnensystems vermutet, ist allerdings bislang nicht gesichtet worden. (Foto: AFP PHOTO / CALTECH/ROBERT HURT)

"Nein, Planet Neun wird die Erde nicht zerstören": Ein möglicher neuer Planet im Sonnensystem löst wilde Spekulationen aus, bis hin zum bevorstehenden Weltuntergang.

Von Marlene Weiß

Zuerst hieß es nur, da sei womöglich ein neuer Planet, weit draußen am äußersten Rand des Sonnensystems. Wenig später ging es schon darum, wie er dorthin gekommen sei: aus dem Inneren des Sonnensystems nach außen geschleudert? Oder von außen eingefangen? Dann wurde "Planet Neun" - dessen Existenz wohlgemerkt noch längst nicht bewiesen ist - Ursache des Dinosaurier-Sterbens. Und schließlich schrieb die britische Sun: "Mysteriöser Planet hat einst das Leben auf der Erde ausgelöscht und könnte es noch diesen Monat wieder tun."

Von da an hatte Mike Brown vom California Institute of Technology, der die Existenz von Planet Neun im Januar mit seinem Kollegen Konstantin Batygin vermutet hatte, keine ruhige Minute mehr. Auf Twitter wünschte er sich kürzlich entnervt einen Roboter, der alle 15 Sekunden schreibt: "Nein, Planet Neun wird die Erde nicht zerstören, danke der Nachfrage."

Jeder interpretiert in den Himmelsköper hinein, was er möchte

Fast alles über den möglichen neunten Planeten ist jedoch immer noch offen, bis hin zu seiner Existenz. Brown und Batygin war lediglich aufgefallen, dass die Bahnen von sechs kleineren Himmelskörpern, wie sie zuhauf im sogenannten Kuiper-Gürtel am Rand des Sonnensystems zirkulieren, eine ähnlich ausgerichtete elliptische Bahn verfolgen - was sich erklären ließe, wenn ein Planet mit etwa der zehnfachen Masse der Erde eine Art Gegengewicht bilden würde (Illustration). Inzwischen haben andere Forscher einen siebten Körper im Kuiper-Gürtel gemeldet, dessen Bahn in das Muster passt. Ein weiteres Indiz.

Das hält auch seriöse Wissenschaftler indes nicht von Spekulationen ab. Forscher von der Universität Bern errechneten bereits Details von Planet Neun: Falls dieser ähnlich aufgebaut sein sollte wie Uranus und Neptun, hätte er den vierfachen Radius der Erde, einen Eisenkern, eine Oberflächentemperatur von minus 226 Grad und würde kaum Sonnenlicht reflektieren. Der emeritierte Astrophysiker Daniel Whitmire sieht in Planet Neun eine Bestätigung seiner alten Theorie, dass Kometenschauer regelmäßig zu einem Massen-Artensterben auf der Erde geführt hätten: Planet Neun hätte diese demnach auslösen können ( Monthly Notices of the Royal Astronomical Society). Daraus wurde dann die Meldung vom bevorstehenden Weltuntergang.

"Ein neuer Planet scheint die Fantasie der Menschen doch sehr anzuregen", sagt Tilman Spohn, Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Arbeit von Brown und Batygin sei solide, es könne gut sein, dass sie recht haben. Aber alles Weitere sei sehr spekulativ. Sicher könne Planet Neun, falls es ihn gibt, einen Eisenkern haben. Es sei auch denkbar, dass er Kometenschauer auslöse. "Aber es gibt sehr wenige Daten, die so etwas belegen könnten." Mike Brown jedenfalls hofft, dass Planet Neun bald von echten Teleskopen gesichtet wird. Der Raum für wilde Spekulationen bläht sich sonst allzu sehr auf.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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