Stockholm:Chemie-Nobelpreis für Forschung zu DNA-Reparatur

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Eine Illustration der Doppelhelix-Struktur des menschlichen Erbguts (Foto: imago stock&people)

Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar haben herausgefunden, wie der Körper beschädigtes Erbgut wieder herstellt - ein wichtiger Grundstein für die Entwicklung von Krebsmedikamenten.

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an die DNA-Forscher Paul Modrich aus den USA, Tomas Lindahl aus Schweden und an den türkisch-amerikanischen Wissenschaftler Aziz Sancar. Der Preis werde vergeben für die "mechanistische Untersuchung der DNA-Reparatur", teilte die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm am Mittwoch mit. Die drei Forscher hätten "auf molekularer Ebene entschlüsselt, wie Zellen beschädigte DNA reparieren und die genetischen Informationen erhalten können", hieß es in der Begründung. Die Arbeit dieser Forscher habe "grundlegendes Wissen über das Funktionieren lebender Zellen" geliefert und sei beispielsweise nützlich für die Entwicklung neuer Krebstherapien.

Vor jeder Teilung muss eine Zelle einmal ihr Erbgut komplett kopieren, um es an die neue Zelle weiter geben zu können. Doch selbst nach vielen millionen Kopiervorgängen ist die Kopie der ursprünglichen Zelle noch immer verblüffend ähnlich. Dabei sollte das eigentlich kaum möglich sein: Alle chemischen Vorgänge sind extrem anfällig für zufällige Fehler, auch Umwelteinflüsse wie Strahlung und Chemikalien sorgen dafür, dass sich ins Erbgut Fehler einschleichen können.

Proteine in den Zellen sorgen aber dafür, dass diese Kopien dennoch so gut gelingen. Sie kontrollieren in jeder neuen Zelle das Genom und reparieren alle Fehler, die bei der Zellteilung aufgetreten sind. "Schäden an DNA können sehr ernsthafte Folgen haben", sagte Nobel-Juror Claes Gustafsson. "Tomas Lindahl spekulierte, dass es ein Reparatursystem geben muss, und machte sich auf die Suche. Und er fand tatsächlich eines." Die Entdeckungen der drei Forscher hätten enorme Konsequenzen gehabt, betonte die Chefin der Nobel-Jury, Sara Snogerup Linse. "Das Leben, wie wir es heute kennen, ist vollständig abhängig von DNA-Reparaturmechanismen."

Tomas Lindahl hat die Nachricht von der Auszeichnung überrascht. "Ich wusste, dass ich über die Jahre für den Preis in Betracht gezogen worden bin, aber das sind hundert andere genauso", sagte der per Telefon aus London zugeschaltete Lindahl bei der Nobel-Pressekonferenz am Mittwoch in Stockholm. "Ich bin sehr glücklich und stolz darauf, heute ausgewählt worden zu sein."

Der frisch gekürte Chemie-Nobelpreisträger Aziz Sancar freut sich als erster türkischer Empfänger eines wissenschaftlichen Nobelpreises vor allem für sein Land. "Sie haben mich dort schon immer gefragt, wann ich denn endlich den Nobelpreis gewinnen werde, also bin ich auch sehr glücklich für mein Land", sagte Sancar in einem Interview mit dem Nobelkomitee. Er ist in Anatolien geboren, arbeitet aber inzwischen im US-Bundesstaat North Carolina. Er sei sicher, dass in der Türkei nun gefeiert werde. Als die Nachricht aus Stockholm kam, habe er noch geschlafen. "Meine Ehefrau hat den Anruf angekommen und mich aufgeweckt. Ich hatte das nicht erwartet, also war ich sehr überrascht. Ich habe dann mein Bestes gegeben, schlüssig zu sprechen, aber ich schlief ja eigentlich fast noch."

Der Chemie-Nobelpreis

Die Nobelpreise werden seit 1901 vergeben. Die Dotierung stieg von anfangs 150 800 auf 10 Millionen Schwedische Kronen. Seit 2012 beträgt das Preisgeld nur noch 8 Millionen Kronen (878 000 Euro), um eine "dauerhafte finanzielle Stabilität" zu gewährleisten. Finanz- und Wirtschaftskrise hatten das Kapitalvermögen der Stiftung gemindert.

Vergangenes Jahr ging der Chemie-Nobelpreis an den deutschen Forscher Stefan Hell und seine US-Kollegen Eric Betzig und William Moerner für ihre Entwicklungen in der hochauflösenden Lichtmikroskopie.

Interview mit Nobelpreisträger Stefan Hell
:"Das Feld hat sich stürmisch entwickelt"

Strukturen, die kleiner sind als die Wellenlänge von Licht? So etwas kann man nicht sichtbar machen, hieß es lange. Doch der Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell hat die Gesetze der Optik ausgetrickst.

Von Christopher Schrader

Bereits am Montag erhielten William C. Campbell, Satoshi Omura und Youyou Tu den Medizin-Nobelpreis für die von ihnen entdeckten Wirkstoffe gegen Parasiten-Krankheiten wie Malaria oder Elefantiasis. Am Dienstag wurden die Teilchenforscher Takaaki Kajita und Arthur McDonald für den Nachweis, dass Neutrinos eine Masse besitzen, als Physik-Nobelpreisträger verkündet.

Mit der Verkündung des Literaturnobelpreises in Stockholm am Donnerstag und des Friedensnobelpreises in Oslo am Freitag geht die Nobel-Woche zu Ende. Der Preis für Wirtschaftswissenschaften ist formal kein Nobelpreis, der im Testament von Alfred Nobel gefordert wurde. Er wird seit 1968 von der schwedischen Zentralbank gestiftet und in diesem Jahr am Montag nach den fünf traditionellen Auszeichnungen bekannt gegeben.

© SZ.de/ap/afp/dpa/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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