Zwischen den Zahlen:Leihen am Limit

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Junge Männer leihen sich gern schnelle Autos, um damit zu rasen. Sie fühlen sich dadurch "stark und kompetent", stellen Verkehrspsychologen auf einer Tagung fest. Dieses Gefühl könnten sie aber auch für sehr viel weniger Geld bekommen.

Von Lea Hampel

Wer meint, Elektroroller seien die anstrengendste Ausdrucksform moderner Hypermobilität, irrt. Das schnelle Auto liegt noch vorn. So kann man eine Erkenntnis zusammenfassen, die Verkehrspsychologen auf einem Symposium zum Thema Risikoverhalten im Verkehr in Bonn dieser Tage umtreibt. Laut den Experten steigt die Zahl der jungen Männer, die sich durch Raserei "stark und kompetent" fühlen. Diese Gefühle lassen sich die Raser etwas kosten: Sie leihen für viel Geld besonders schnelle Autos. Und natürlich gibt es für Nachfrage ein Angebot. Drei Stunden Porsche Cayenne zum Feierabend kosten 119 Euro. "Lamborghini selber fahren" gehört zu den "Top 3 Geschenkideen für Männer" eines Erlebnis-Gutschein-Anbieters.

In den vergangenen Wochen wurde viel darüber diskutiert, inwiefern der Begriff "Freiheit" passend ist für den Umstand, dass man in einem Fahrzeug eine Straße entlang rast und dafür möglicherweise die Freiheit anderer, lärm- und stressfrei oder überhaupt zu leben, einschränken darf. Dass neben dem Riesenwort "Freiheit" auch noch Träume, Stärke und Kompetenz mit dieser im Kern eher banalen Tätigkeit assoziiert werden, kann man nur als endgültige Überfrachtung verstehen.

Vor allem aber stellt sich eine Frage: Wenn die jungen Männer ein Fahrzeug als umso größere Herausforderung wahrgenehmen, je gefährlicher man damit unterwegs sein kann, ließe sich das auch billiger und einfacher haben. Nämlich mit älteren Fahrzeugen, mit Autos ohne TÜV oder alten Reifen. Mit Sicherheit ist es wesentlich aufregender, mit einem Mazda 323, 80er Jahrgang, die A8 entlang zu düsen, als mit einem modernen Sportauto: Schon ab 120 Stundenkilometer nimmt das Gefühl, das Auto könnte einem unterm Allerwertesten wegwackeln, beträchtlich zu. Der Motor brummt lauter als das Radio es kompensieren kann und die überholenden SUVs wirken im Rückspiegel wie ungewöhnlich schnelle, gut beleuchtete Panzer.

Würden sich die Herren so richtig gruseln wollen, könnten sie also für wenige hundert Euro ein solches Gefährt erwerben. Oder sie steigen gleich auf ein Fahrrad und fahren durch eine deutsche Innenstadt - das ist aufregender als so manche Autobahnraserei.

© SZ vom 12.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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