Zwischen den Zahlen:Alles fürs Baby

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Die Industrie glaubt, übermüdete Eltern mit den unnötigsten Erfindungen ködern zu können. Bosch tut sich da gerade mit einem neuen Kinderwagen hervor. Dabei hätten wir einen viel besseren Vorschlag.

Von Lea Hampel

Wer einen Teil seines Lebens am Griff eines Kinderwagens verbracht hat, kennt das Phänomen: Das Kind ist klein, der Geist müde, der Körper eh. Es kann vorkommen, dass man im Supermarkt den Einkaufswagen schaukelt, als müssten darin die Zucchini beruhigt werden. Weil Produktentwickler die Verzweiflung übermüdeter Eltern kennen, gibt es rund ums Kleinkind nichts, was zu irre wäre, als dass es nicht Regale füllen oder Onlineshops zieren würde: Überwachungsgeräte mit Kamera und Temperaturmessung, aber auch Wippen, die nicht das Kind dazu animieren sollen, sich zu bewegen, sondern selber bewegt werden.

Doch der Kapitalismus wäre nicht, was er ist, wäre das Ganze nicht steigerungsfähig. Diesmal mit einem Produkt aus dem Hause Bosch. Der elektrische Kinderwagen wird als neueste Erfindung gepriesen. "Schiebeunterstützung und automatische Bremsfunktion" hat er, eine "Alarmfunktion" und, wie soll es heutzutage anders gehen, steuerbar per App. Wer meint, die Idee sei nur, geschwächten Eltern das Schieben zu erleichtern, irrt. "Weit mehr" sei das, wirbt das Unternehmen. Nämlich "ein Assistenzsystem für Kinderwagen mit einer umfangreichen Komfort- und Sicherheitsausstattung". Es schütze das Kind sogar bei einer Windstärke von bis zu 60 km/h. Solche Wetterlagen werden tatsächlich auch in unseren Gefilden häufiger, wenn wir mit dem Konsum überflüssiger Produkte den Klimawandel weiter vorantreiben.

Das Produkt ist weniger prophetisch, als es scheint. Einen selbstfahrenden Kinderwagen gibt es bereits. Dass Bosch einen weiteren präsentiert, könnte damit zusammenhängen, dass bei der Entwicklung "Maßstäbe wie in der Autoindustrie" geherrscht hätten - ein Werbesatz, der unfreiwillig komisch wirkt.

Das Schwierige am täglichen Kinderauslüften ist ja nicht, den Wagen zu schieben. Sondern dass man nachts oft alle eineinhalb Stunden wach war und zweimal Erbrochenes vom Fußboden gewischt hat. Deshalb geht es nicht um Muskelkraft, sondern darum, überhaupt die Augen offen zu halten, regelmäßig Gesundes zu essen und zwischendurch Schnuller auszukochen. Die nächste Erfindung sollte daher eine ausklappbare Matratze mit Massagefunktion für Erwachsene, eine integrierte Mikrowelle sowie Spülmaschine haben. Auch ein Windelschredder wäre praktisch. Klingt verrückt? Früher oder später kommt sicher ein Produktentwickler von alleine drauf.

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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