Zwischen den Zahlen:Alle gleich: reich

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Auf 11 600 Einwohner kommt ein Milliardär: Nirgendwo ist die Dichte an Schwerstreichen so groß wie in der US-Stadt San Francisco, zeigt eine aktuelle Erhebung. Das wirft sehr viele, aber vor allem eine Frage auf: Wieso, um Himmels willen, tun die sich das an?

Von Stephan Radomsky

"Es ist zwar etwas teurer hier, dafür ist man unter sich". Es stimmt ja, was Die Ärzte in ihrem Klassiker "Westerland" singen: Der Reichtum, er rottet sich bevorzugt an bestimmten Plätzen zusammen. Beliebt sind Orte in lieblicher Landschaft - siehe Westerland - oder wirtschaftsstarke Metropolen. So wie San Francisco. Hier, zwischen der Pazifikküste und der "Bay", ist die Dichte an Milliardären so hoch wie nirgends sonst auf der Welt. Auf je 11 600 Bewohner kommt einer mit einem zehnstelligen Vermögen. Das zumindest behauptet der diesjährige "Billionaire Census" der Marketingberatung Wealth-X. In absoluten Zahlen kommt San Francisco mit 75 Milliardären zwar nur auf Rang drei. Nirgends sonst aber leben so viele Milliardäre auf so engem Raum. In New York dagegen - mit 105 Schwerstreichen globaler Spitzenreiter - ist dagegen nur einer von 81 000 Bewohnern Milliardär.

Nun mag man derartigen Erhebungen skeptisch gegenüber stehen. Wie schwer es ist, tatsächlich herauszufinden, wie vermögend eine bestimmte Person wirklich ist, zeigt ja allein das Beispiel von US-Präsident - und Milliardär? - Donald Trump. Dennoch, so ein Report wirft grundsätzliche Fragen auf: Nach sozialer Gerechtigkeit, Verdrängung, Ungleichheit. Vor allem aber: Warum, um Himmels Willen, tun die sich das überhaupt an? Sicher, Reich und Reich gesellt sich gern (siehe Westerland). Aber gleich in diesem Ausmaß?

Der hedonistische Spaß daran, so unvorstellbar reich zu sein, ist doch praktisch dahin, wenn auch der Nachbar mit irgend einer Internet-Bude genauso viele Tausend Millionen Dollar schwer geworden ist. Wie soll man sich noch absetzen, wenn nebenan auch ein vergoldeter Lamborghini vor der Villa mit Ozeanblick parkt? Der Milliardär, in San Francisco hat er's schwer. Oder muss man sich das Leben in der Gemeinschaft der Zehnstelligen als protosozialistisches Paradies vorstellen, in dem Geld keine Rolle mehr spielt, weil alle so unfassbar viel davon haben? Der Gedanke hat Charme. Dennoch scheint sie utopisch, so eine Superreichen-Hippie-Kommune.

Wahrscheinlich ist es eher so wie in jeder Reihenhaussiedlung auch: Der eine beäugt den anderen. Jeder hat seine Probleme, die er bestmöglich zu verstecken sucht, und seine Erfolge, die er gern herzeigen möchte. Und alle paar Jahre geht irgendwo in der Straße eine Ehe in die Brüche, es wird laut und schmutzig und am Ende zieht die eine oder der andere aus. Dann kehrt ziemlich schnell wieder Ruhe ein und alle tun wieder so, als ob sie sich um ihre Angelegenheiten kümmern. Jeff Bezos kennt das.

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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