Zusatzbeiträge:Kartell der Kassen

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Etliche Krankenkassen werden gemeinsam bekennen, von ihren Versicherten Zusatzbeiträge zu erheben. Das Vorgehen ist frech - und ein Fall für das Kartellamt.

Guido Bohsem

Was haben Rewe, Edeka und Lidl mit den gesetzlichen Krankenkassen gemein? Sie alle stehen unter dringendem Verdacht, den offenen Wettbewerb zu scheuen. Die Handelsketten haben angeblich die Preise ihrer Waren abgesprochen. Sie konnten mehr Geld verlangen ohne das Risiko, die Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. An diesem Montag werden eine ganze Reihe von Krankenkassen genau das Gleiche tun. Gemeinsam wollen sie ankündigen, künftig Zusatzbeiträge zu erheben. Das ist selbst für das an Absonderlichkeiten reiche Gesundheitssystem ziemlich frech.

Zahlreiche Krankenkassen wollen von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag kassieren - die DAK soll darunter sein, die AOK Schleswig-Holstein ebenfalls. Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse kommen wohl noch ohne zusätzliches Geld aus - vorerst. (Foto: Foto: dpa)

Laufen Absprachen unter Konkurrenten gewöhnlich im Geheimen, scheuen sich die Kassen nicht, ihre Preiskooperation in aller Öffentlichkeit auszutragen. Das Kalkül geht wie folgt: Wenn nur genügend Kassen gleichzeitig Zusatzbeiträge ankündigen, sieht es für die Versicherten so aus, als ob das Wechseln der Kasse ohnehin nicht lohne. Eine solche Überlegung ist zwar naheliegend, aber ein eindeutiger Fall für das Kartellamt. Denn der Preis ist so ziemlich das einzige Kriterium, an dem eine Konkurrenz in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet werden kann. Der erhoffte Wettbewerb um Qualität und Service ist jedenfalls ausgeblieben und das, obwohl im vergangenen Jahr von allen Kassen der gleiche Beitrag erhoben wurde.

Die Zusatzbeiträge sind eine Art Hilfsmotor im Mechanismus des Gesundheitsfonds. Bringt der einheitliche Beitrag von derzeit 14,9 Prozent einer Kasse nicht genügend Geld, soll er anspringen und für den Rest sorgen. Die Kassen haben länger als zwölf Monate gezögert, diesen Hybridantrieb zu starten. Sie fürchteten, dass ihnen die Mitglieder nach einer Beitragserhöhung scharenweise davonlaufen würden, sieht das Gesetz doch eine Sonderkündigungsklausel bei der Erhebung eines Zusatzbeitrages vor.

Manche Versicherer gaben aus Sorge vor den Auswirkungen der Zusatzbeiträge sogar ihre Eigenständigkeit auf und taten sich mit einem finanzstärkeren Konkurrenten zusammen. So gelang die eigentlich bereits gescheiterte Fusion von Barmer und GEK am Ende doch. Und so verringerte sich die Zahl der Kassen deutlich. Mit der wettbewerbsfeindlichen Absprache erhoffen sich die Kassen nun den Ausbruch aus ihrem Dilemma.

Dass es bei vielen Kassen jetzt zu Zusatzbeiträgen kommt, ist nicht nur deren Schuld. Die derzeitige Regierung und ihre Vorgängerin tragen die Verantwortung dafür, dass im laufenden Jahr ein Finanzloch von etwa vier Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung klafft. Und das, obwohl der Bund bereits zusätzliche vier Milliarden Euro Nothilfe zahlt. Union und SPD haben das Geld mit vollen Händen verteilt. Nach Jahren des Spardiktats erhielten Ärzte und Krankenhäuser einen üppigen Aufschlag. Die Arzneimittelausgaben ließ das Bündnis ungehindert ansteigen.

Das Versagen der schwarz-gelben Koalition besteht darin, diese Entwicklung in den ersten 100 Tagen ihrer Regierung nicht gestoppt zu haben. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt Kürzungen klassischen Zuschnitts sogar rundweg ab. Er setzt darauf, die Wettbewerbskräfte des Systems zu entfesseln und dadurch zu Einsparungen zu kommen. Das ist ein lobenswerter, aber ziemlich schwieriger Ansatz, der zurzeit auch noch mit wenig Konkretem unterlegt ist.

Selbst wenn das Rösler-Projekt gelingen sollte, was angesichts der Beharrlichkeiten des Systems wenig wahrscheinlich ist, wird es Jahre dauern, bevor es seine Wirkung entfaltet. Laut Koalitionsvertrag hat die Regierung bis dahin vor allen Dingen eines vor: Geld verteilen. Das setzt die Kassen weiter unter Druck und führt innerhalb von kurzer Zeit zu erneuten Beitragsrunden.

Die Versicherten haben derzeit nur eine Möglichkeit, sich gegen die Absprachen der Kassen und die Untätigkeit der Politik zu wehren. Sie verhalten sich so, wie sie es auch im Supermarkt tun würden und vergleichen die Preise. Wer also demnächst die Aufforderung seines Versicherers auf den Tisch bekommt, künftig sechs oder sieben oder acht Euro zusätzlich im Monat zu überweisen, sollte vor allem eins tun: Die Kasse wechseln.

© SZ vom 25.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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