Zulassungsprozess:Warum der Bahn die Züge fehlen

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Eine Schneefräse räumt das Gleis: Auch in diesem Winter wird es Probleme geben. (Foto: dapd)

Bei den Regionalzügen liegt Bahn-Chef Grube zufolge einiges im Argen: Züge im Wert von 60 Millionen Euro stehen bereit, doch das Eisenbahn-Bundesamt verweigert die Zulassung. Darunter leiden vor allem die Fahrgäste. Das Problem wird nicht zum ersten Mal diskutiert.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Rüdiger Grube spricht häufig engagiert, an diesem Donnerstagmorgen redet sich der Bahnchef aber regelrecht in Rage: "Was wir hier erleben, ist der Anfang vom Ende der deutschen Bahnindustrie. An manchen Tagen wissen wir überhaupt nicht, wie wir unser Geschäft noch hinbekommen sollen. Und denken Sie ja nicht, da quietscht nur wieder irgend so ein Vorstandsvorsitzender. Ich sag es Ihnen ganz offen: Wir pfeifen aus dem letzten Loch."

Es geht emotional zu an diesem Morgen im Auditorium der Französischen Botschaft in Berlin. Das ist insofern überraschend, als dass es normalerweise eher zum Gähnen verleitet, wenn fünf Männer auf einem Podium Platz nehmen, um über den "Veränderungsbedarf bei der Zulassung von Fahrzeugen im Eisenbahnsektor" zu sprechen. Doch was sich schrecklich theoretisch anhört, hat in der Praxis Folgen, unter denen nicht nur Bahn und Hersteller leiden, sondern vor allem die Fahrgäste - und damit nahezu jeder.

Millionen Bahnfahrer werden auch in diesem Winter wieder viel zu häufig in alten und überfüllten Zügen Platz nehmen müssen. Weil es einfach nicht gelingt, rechtzeitig genügend neues "Rollmaterial" (wie die fünf Herren es nennen) aufs Gleis zu setzen. Dabei wäre es vorhanden. Allein im Regionalverkehr stehen Züge im Wert von 60 Millionen Euro bereit, doch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) verweigert die Zulassung. Auch auf acht ICE-Züge von Siemens wartet die Bahn schon eine ganze Weile.

Michael Clausecker, Präsident des Verbands der Bahnindustrie, schätzt, dass den Herstellern mittlerweile 15 bis 30 Prozent des Jahresumsatzes entgehen, weil sie fertige Züge nicht ausliefern können. Und woran liegt das? Das ist der Punkt, an dem es emotional wird.

Eisenbahn-Bundesamt will Zulassungsprozess beschleunigen

Er wolle ja kein "finger-pointing" betreiben, sagt Grube, und vermutlich will er das tatsächlich nicht. Aber während er spricht, dreht er sich nach rechts - und da sitzt nun einmal EBA-Präsident Gerald Hörster. Nein, natürlich macht Grube Hörster nicht persönlich verantwortlich für die Verzögerungen. Schon gar nicht bei den ICEs, wo die Bahn die Schuld eher bei Siemens sieht. Aber was die Probleme mit den Regionalzügen anbelangt, da liegt nach Meinung von Grube sehr wohl einiges im Argen. Wenn nicht beim EBA selbst, dann zumindest in dem komplexen Zulassungsprozess.

"Wir bekommen ja nicht einmal mehr die einfachsten Dinge gebacken", sagt Grube aufgebracht. Er sei mir der Situation ja selbst nicht zufrieden, erwidert Hörster. Seine Behörde habe größtes Interesse daran, das Verfahren zu beschleunigen. Aber alles, was sicherheitsrelevant sei, müsse man nun einmal kontrollieren. "Für uns gilt nichts anderes als für jede andere Behörde auch: Wenn wir einen Stempel unter etwas setzen, müssen wir dafür gerade stehen."

Vielleicht könnte die Branche von der Luftfahrt lernen. Dort hat man laut Norbert Lohl, Direktor bei der Europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA, "eine phantastische Lösung" gefunden, wer die Sicherheit nachweisen muss: die Hersteller selbst. "Sie müssen die Tests machen, die Unterlagen erstellen, die Sicherheit demonstrieren. Und wir als Behörde verifizieren dann nur noch."

Ein Vorschlag, für den sich alle offen zeigen. Allerdings wird er an diesem Morgen nicht zum ersten Mal diskutiert. Und deshalb bleibt Grube besorgt: "Wenn wir so weitermachen und immer nur reden, können wir uns Weihnachten 2013 wieder hier treffen", sagt der Bahn-Chef. "Dann haben wir vermutlich jede Menge neue Erlebnisse - aber sind kein Stück weiter.

© SZ vom 14.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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