Zölle:Grenzen auf, Preise runter

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Ob die Schweiz ihr Image als teures Land bald los ist? Die Regierung zumindest will das ändern. (Foto: Martin Gerten/dpa)

Die Schweizer Regierung will Zölle auf Industriegüter abschaffen. Damit sollen die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert und Konsumenten entlastet werden. Wird das gelingen?

Von Isabel Pfaff, Bern

Ist die "Hochpreisinsel Schweiz" bald Geschichte? Wenn es nach der Regierung in Bern geht, ist jedenfalls Linderung in Sicht. Am Mittwoch teilte der Bundesrat mit, dass er dem Parlament vorschlagen möchte, die Importzölle auf Industriegüter aufzuheben. Damit sollen die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert und die Konsumentinnen und Konsumenten entlastet werden.

Die im Vergleich zum europäischen Ausland deutlich höheren Preise für Güter und Dienstleistungen in der Schweiz hängen einerseits mit den Lohnkosten zusammen: Mehr als 51 Euro betrugen die Arbeitskosten je geleistete Stunde in der Eidgenossenschaft im Jahr 2012. Zum Vergleich: Im EU-Schnitt kostete eine Stunde gut 24 Euro. Andererseits lassen auch Handelshemmnisse die Schweizer Preise steigen, darunter die Einfuhrzölle auf Industriegüter, die nach Angaben des Bundesrats im Schnitt 1,8 Prozent betragen. Bei Textilien, Bekleidung, Holz und Papier liegen die Sätze allerdings höher.

Vor allem im Textilbereich, so argumentiert die Schweizer Regierung, stammen die Zollabgaben noch aus Zeiten, in denen das Land selbst Massenware produzierte und diesen Bereich schützen wollte. Inzwischen sind diese Zweige abgewandert; die bestehende Textilindustrie konzentriert sich auf hochwertige Nischenprodukte und gilt als international konkurrenzfähig. Die Schweiz, schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft ans Parlament, sei heute stark in die globalen Wertschöpfungsketten eingebunden. "Mit der Aufhebung der Industriezölle werden Unternehmen in der Schweiz von günstigeren Vorleistungen profitieren und ihre Produktionskosten senken können." Schweizer Konsumenten dürften darüber hinaus mit niedrigeren Preisen etwa für Autos, Fahrräder, Körperpflegeprodukte, Schuhe und Textilien rechnen. Laut Schätzungen der Bundesverwaltung wird sich der Preisrückgang je nach Produktgruppe zwischen 0,1 Prozent und 2,6 Prozent bewegen.

Wirtschaftsverbände begrüßen den Vorschlag der Regierung, der zu einem ganzen Paket von Maßnahmen gegen die hohen Preise gehört. Die Abschaffung der Zölle sei "ein klarer Gewinn für die Schweiz", schreibt Economiesuisse, der größte Wirtschaftsdachverband der Schweiz in einer Mitteilung. Für eine exportorientierte und stark vernetzte Volkswirtschaft wie die Schweiz seien solche Zölle "nur noch mühsam und teuer".

Bereits vor der Bundesratsentscheidung hatten sich vor allem Gewerkschaften und Landwirtschaftsverbände kritisch gegenüber einer möglichen Abschaffung der Zölle gezeigt. Die Schweiz gebe mit der einseitigen Aufhebung ein wichtiges Pfand bei der Aushandlung künftiger Freihandelsabkommen aus der Hand, argumentieren die Kritiker. Gleichzeitig verliere der Bund Einnahmen von rund 500 Millionen Franken im Jahr. Mehrere Landwirtschaftsverbände äußerten zudem die Sorge, dass die Maßnahme den Druck auf die hohen Zölle im Agrarbereich erhöhe. Die Schweizer Landwirtschaft wird in hohem Maß vom Staat unterstützt: Neben den Agrarzöllen profitieren Schweizer Bauern auch von Subventionen, 2017 erhielten sie rund 3,7 Milliarden Franken.

Der Bundesrat betont in seiner Botschaft, dass den wegfallenden Zolleinnahmen eine wettbewerbsfähigere Volkswirtschaft und damit mehr Steuereinnahmen gegenüber stünden. Er rechnet damit, dass etwa 30 Prozent der Mindereinnahmen auf diese Weise kompensiert würden. Entscheiden muss nun das Parlament. Sprechen sich beide Kammern für die Abschaffung der Zölle aus, würden diese ab 2022 aufgehoben.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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