Yachtbauer haben Krise unterschätzt:Total abgesoffen

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Luxus verkauft sich immer? Von wegen! Viele Hersteller von Yachten kommen jetzt in der Wirtschaftskrise in Bedrängnis.

Caspar Dohmen und Martin Hesse

"Vollgas geben und angreifen", gab Andres Cardenas noch im vergangenen Oktober als Parole aus. Da war der Spanier als Chef des Giebelstädter Yachtherstellers Bavaria gerade angetreten. Neun Monate später droht seine Firma unter der Schuldenlast zu ersticken. Ähnlich erging es dem italienischen Konkurrenten Ferretti. Und der sauerländische Yachtbauer Dehler war bereits Ende des vergangenen Jahres insolvent und wurde von Hanse-Yachts übernommen.

Die Yachtbauer haben die Krise unterschätzte: "Solch einen Einbruch hat es noch nie gegeben", heißt es jetzt. (Foto: Foto: ddp)

Wie bei teuren Autos

Die Yachtbauer haben die Wirtschaftskrise unterschätzt: Bei der Düsseldorfer Boot, der weltweit größten Wassersportmesse, gaben sie sich im Januar noch zuversichtlich, der Flaute zu trotzen. Luxus verkaufe sich zu jeder Zeit, hieß es da fast trotzig. Von den düsteren Aussichten für die Weltwirtschaft wollte sich kein Bootsbauer die Stimmung vermiesen lassen. Mittlerweile ist klar, bei Yachten verhalten sich die Verbraucher auch nicht anders als bei teuren Autos, viele scheuen in der Krise eine Bestellung.

"Solch einen Einbruch hat es noch nie gegeben", sagt Jürgen Tracht, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW). Als Indikator für die weltweite Entwicklung des Geschäfts zieht er den Verkauf von Innenbordmotoren für Motor- und Segelyachten heran. Hier habe es im ersten Quartal ein Minus von 60 Prozent gegeben, ähnlich dürfe das zweite ausfallen, sagte Tracht der Süddeutschen Zeitung.

Viele Bootsbesitzer schrecken in der Wirtschaftskrise vor dem Kauf eines neuen Bootes zurück. Stattdessen bringen sie ihre alten Schiffe lieber auf Vordermann, entsprechend sind die Reparaturwerften zwischen Kieler Förde und Chiemsee gut ausgelastet.

Regional große Unterschiede

Allerdings hat sich die Nachfrage nach Yachten in den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich entwickelt. "Den wichtigen US-Markt hat es regelrecht dahingerafft", sagt Tracht. Sehr schlecht laufe das Geschäft auch in Skandinavien und Großbritannien. Dagegen seien die Aufträge in Deutschland schätzungsweise nur etwa um 25 Prozent eingebrochen.

Ähnlich sieht es in Frankreich und Italien aus. Allerdings können sich die deutschen Bootsbauer darüber kaum freuen. Der Yachtbau ist international, deswegen zählt die weltweite Entwicklung. Tracht sieht auch für das kommende Jahr ziemlich schwarz für die Branche. Über deren weitere Entwicklung entscheide der September 2010. Traditionell werden in diesem Monat von den Kunden die Schiffe für die folgende Saison bestellt.

Die Nachfrageflaute mag die Yachthersteller überrascht haben. Doch dass Anbieter wie Bavaria und Ferretti aus der Kurve fliegen, hat noch einen anderen Grund: Ihre Eigentümer, in beiden Fällen Finanzinvestoren, haben die Firmen zu schwer mit Schulden beladen.

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Als der Finanzinvestor Bain im August 2007 bei Bavaria einstieg, herrschte noch Goldgräberstimmung in der Branche. Im Februar ging die Greifswalder Hanse-Yachts an die Börse, Ende 2008 hatte die britische Beteiligungsgesellschaft Candover für 1,7 Milliarden Euro den italienischen Luxusyachtenhersteller Ferretti gekauft.

Der Markt blühte, weil das starke globale Wachstum und der Rohstoffboom neue Käufer aus Russland und den Golfstaaten anlockte. Aufgeheizt war auch der Markt für Übernahmen: Finanzinvestoren überboten sich im Bieterstreit um attraktive Firmen.

Bavaria schien das perfekte Übernahmeziel. Schuldenfrei, hochprofitabel und einer der führenden Anbieter in einem wachsenden Markt. Firmengründer Winfried Herrmann hatte in Franken, 600 Kilometer vom nächsten Meer entfernt, eine der effizientesten Sportbootproduktionen hochgezogen. Und so ließ sich Ulrich Biffar, Deutschland-Chef von Bain und selbst Hobbysegler, hinreißen, 1,1 Milliarden Euro zu bezahlen, 14-mal so viel wie der operative Jahresgewinn. 900 Millionen kamen als Kredit von Goldman Sachs und der Commerzbank.

Weitere Marktaustritte wahrscheinlich

Im abgelaufenen Geschäftsjahr (per Ende Juli) dürfte sich der Umsatz jedoch auf unter 100 Millionen Euro mehr als halbiert haben, heißt es in Finanzkreisen. Der kleine Gewinn reicht womöglich nicht mehr, um die Zinsen zu zahlen. Seit einigen Wochen verhandelt Bavaria mit den Gläubigern über eine Restrukturierung. Die Commerzbank hat ihren Kredit weitgehend abgeschrieben, Goldman Sachs stieß ihren Anteil frühzeitig an Investoren ab. Hedgefonds um die Firma Oaktree entscheiden jetzt über die Zukunft der Firma mit. Bain dürfte sich ähnlich wie Candover schwertun, die Kontrolle zu behalten.

"Weitere Marktaustritte dürften wahrscheinlich sein", erwartet Frank Laser, der die Branche für SES Research beobachtet. Anbieter wie Hanse-Yachts und Bénéteau reduzieren ihre Kapazitäten und bauen Stellen ab. Laser sieht gut kapitalisierte Hersteller wie Hanse-Yachts gerüstet, um die Krise zu überstehen.

Eine generelle Pleitewelle erwartet Verbandsgeschäftsführer Tracht bei den Yachtbauern nicht. Grundsätzlich könnten die meisten Bootsbauer flexibel auf die Auftragsentwicklung reagieren. Anders sei dies natürlich, wenn ein Bootsbauer unter hohen Kreditverpflichtungen leide. Größere Sorgen machen dem Verbandsgeschäftsführer die Händler. Viele hätten schon jetzt Schwierigkeiten, Boote oder Zubehör vorzufinanzieren, weil die Banken extrem zurückhaltend bei der Warenvorfinanzierung seien. "Dies ist ein Riesenproblem", sagt Tracht.

Noch gefährlicher als die Finanzkrise könnte sich für die Bootsbauer in Deutschland langfristig die Überalterung der Besitzer auswirken. Wenn man nicht mehr Menschen an den Wassersport heranführe, werde die Branche weiter schrumpfen, warnt Tracht. Bootsbesitzer sind in Deutschland im Durchschnitt 56 Jahre.

Insgesamt gibt es eine halbe Million Eigentümer von Motorbooten und Yachten. Doch die Zahl der männlichen Erwerbstätigen eines Jahrgangs, welche ein Boot kaufen, hat sich in den vergangenen Jahren halbiert. Schon länger versucht die Bootsbranche, neue Zielgruppen anzusprechen. Vielen jüngeren Menschen dürfte aber schlicht das Geld für den Kauf eines Bootes fehlen.

© SZ vom 13.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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