Welthandel:WTO-Chefin fordert alle auf, "die Ärmel hochzukrempeln"

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WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala forderte die anwesenden Handelsminister dazu auf, "die Ärmel hochzukrempeln". (Foto: Jon Gambrell/AP)

Die Handelsminister aus fast allen Ländern treffen sich derzeit in Abu Dhabi. Es gibt viele Konflikte - und wenig Aussicht auf Einigung. Chefin Ngozi Okonjo-Iweala beschreibt die Atmosphäre als "härter" als vor zwei Jahren.

Handelsminister aus fast allen Ländern sind in Abu Dhabi zu einem viertägigen Treffen der Welthandelsorganisation WTO zusammengekommen. Deren Chefin Ngozi Okonjo-Iweala versuchte zum Auftakt am Montag, die Erwartungen an die Runde zu dämpfen. In ihrer Eröffnungsrede beschrieb sie die Atmosphäre als "härter" als bei der vorangegangenen WTO-Tagung im Jahr 2022. Kriege, politische Spannungen und ein maues Wachstum führte die Nigerianerin als Gründe dafür an. Die anwesenden Handelsminister forderte Okonjo-Iweala dazu auf, "die Ärmel hochzukrempeln". Eine Einigung in Abu Dhabi über die Reform des stillgelegten Berufungsgerichts der Organisation, das in Streitfragen zwischen den Mitgliedsländern entscheidet, erwartet aber auch sie nicht. "Wir sind noch nicht so weit", sagte die WTO-Generaldirektorin. Die fast 30 Jahre alte Organisation, deren Regeln drei Viertel des Welthandels unterliegen, strebt Vereinbarungen im Konsens an. Allerdings sind diese immer schwerer zu erreichen, da es zunehmende Anzeichen für eine Zersplitterung der Weltwirtschaft in mehrere Blöcke gibt.

"Das multilaterale Handelssystem, dessen Kernstück die WTO ist, befindet sich an einem kritischen Punkt und steht vor vielen Herausforderungen", räumte der Konferenzchef und Außenhandelsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Thani Al-Sejudi, in seiner Eröffnungsrede ein. Die WTO sei nach wie vor eine starke Kraft im Kampf gegen Unilateralismus, Protektionismus und Diskriminierung. "Wir sind hier nicht im Traumland", sagte ein Handelsdelegierter der Nachrichtenagentur Reuters. "Die internationale Zusammenarbeit ist in einem schlechten Zustand."

Dennoch setzen Verhandlungsführer darauf, dass es etwa in der Streitfrage der Fischerei zu einer Einigung kommt. Die WTO hofft auf ein neues Abkommen, das die weltweiten Fischbestände bewahrt und die Fischer durch das Verbot staatlicher Subventionen schützen soll. Bei dem alle zwei Jahre stattfindenden Treffen sollen mit den Komoren und Osttimor zwei neue Mitgliedsstaaten aufgenommen werden. In Reichweite ist auch eine Vereinbarung zwischen rund 120 Ländern zur Beseitigung entwicklungshemmender Investitionshindernisse. Schwierig dürfte es dagegen werden, eine Einigung über ein 25-jähriges Moratorium für die Anwendung von Zöllen auf den digitalen Handel hinzubekommen. Südafrika und Indien lehnen dies ab. Auch ein Abkommen über Agrarhandelsregeln gilt als unwahrscheinlich.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnt vor der fortschreitenden Erosion des Welthandelssystems. Geopolitische Entwicklungen führten zu einer zunehmenden weltwirtschaftlichen Entkopplung, die die Grundlagen des multilateralen regelbasierten Handelssystems erschütterten, sagte DIHK-Expertin Melanie Vogelbach. Mehr als die Hälfte der außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen beruhten ausschließlich auf WTO-Regeln. Ohne diese Regeln könnten deutsche Firmen im Außenhandel nicht mehr auf die Stärke des Rechts vertrauen. Für exportorientierte Unternehmen in Deutschland seien faire Wettbewerbsbedingungen, Marktzugang und Rechtssicherheit im Auslandsgeschäft von herausragender Bedeutung.

Die deutsche Wirtschaft erhofft sich von der Ministerkonferenz den Erhalt des Verbots von Zöllen auf Datentransfers sowie Fortschritte bei der Reform der WTO-Streitbeilegung. "Wir brauchen eine ganzheitliche Vision - das gilt für Verhandlungen, Überwachung und Beratung sowie für die Streitbeilegung", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Zudem müsse das Moratorium für Zölle auf elektronische Übertragungen dauerhaft verlängert werden. "So wird digitaler Handel unterstützt und die Wettbewerbsbedingungen für kleine Unternehmen weltweit verbessert", sagte Jandura.

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