Es könnte so einfach sein. Wlan im Café, im Park, in der Fußgängerzone, kostenlos und ohne langwierige Anmeldung. Doch das ist es nicht. Nicht in Deutschland. Deutschland, ärgert sich Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft, verspiele digitale Chancen "zugunsten einer kruden Sicherheitsesoterik". Will heißen: Weil man befürchtet, dass Kriminelle und Terroristen solche Netze anonym für ihre Zwecke nutzen würden, besteht das Bundesinnenministerium darauf, dass die Betreiber von Wlans diese absichern und den Nutzern eine sogenannte Rechtstreue-Erklärung abverlangen müssen.
So steht es im Gesetzentwurf, über den das Parlament Anfang Dezember in erster Lesung beraten hat. Das ist besser als die bisherige, strengere Regelung, doch, wenig verwunderlich, Netzaktivisten laufen dagegen Sturm: "Wichtige Zukunftschancen für digitale Bildung, Meinungs- und Informationsfreiheit, Online-Wirtschaft, Tourismus und die Flankierung des Breitbandausbaus würden damit zunichte gemacht", heißt es etwa bei der Digitalen Gesellschaft. Aber auch der Bundesrat sieht das ähnlich: Die Bundesregierung führe nur wieder neue, unbestimmte Rechtsbegriffe ein, die durch Gerichte ausgelegt werden müssten. Auf die Haftbarkeit der Wlan-Anbieter solle man doch lieber ganz verzichten, so die Länderkammer.
Bleibt Deutschland ein Wlan-Entwicklungsland?
Also Kommando zurück, alles noch mal von vorne? Bloß nicht - so ließe sich zusammenfassen, wie Ralf Koenzen darüber denkt. Koenzen ist Geschäftsführer der Firma Lancom, die professionelle Wlan-Ausrüstung produziert, Geräte, mit denen Firmen ganze Gebäude versorgen können oder Städte einen großen Platz. Er fürchtet, dass die unterschiedliche Interessenslage der vielen Beteiligten dazu führt, dass noch für längere Zeit gar nichts entschieden wird und Deutschland weiter zu den Wlan-Entwicklungsländern gehört.
"Die einen fürchten Filesharing und illegale Downloads", sagt er, "die anderen haben Angst vor Terror, und das Wirtschaftsministerium klagt, Deutschland sei hinten dran." Das Schlimme dran: "Die sind so zerstritten, dass vollkommen unklar ist, was daraus wird."
Aber es werden doch auch netzpolitische Dinge entschieden in Deutschland, oder? Vor Kurzem erst wurde (nach auch ziemlich langen Diskussionen) immerhin der Routerzwang abgeschafft. Die Netzbetreiber können demnach ihre Kunden künftig nicht mehr dazu zwingen, ein bestimmtes Gerät zum Netzzugang zu benutzen. "Aber", sagt Koenzen, "da waren ja die Verhältnisse klar, es gab jede Menge Beispiele, dass es auch ohne geht." Bei der Wlan-Frage aber gebe es unterschiedliche Interessen sogar innerhalb der einzelnen Koalitionsfraktionen. Doch "wenn gar nichts mehr weitergeht, verlieren wir alle", fürchtet er.
Nahaufnahme:Warum ein Pirat vor dem EuGH für offenes Wlan kämpft
Tobias McFadden sollte 800 Euro zahlen - für ein Album, das er gar nicht heruntergeladen hatte. Nach jahrelangen Prozessen fällt der EuGH ein Grundsatzurteil.
Aus Umfragen unter seinen Kunden weiß Lancom, dass mehr als zwei Drittel von ihnen, 70 Prozent, rechtliche Bedenken haben, ein offenes Wlan zu betreiben. Vor allem die Juristen würden vor einem Restrisiko warnen. Die tatsächliche Gefährdung sei zwar nahe null, "aber die theoretische Gefahr ist da". Die Branche hat auch Leitlinien erarbeitet für den Hotel- und Gaststättenverband. "Man kann es schon rechtssicher machen", sagt Experte Koenzen, "aber es ist nicht einfach." Andererseits aber notwendig, denn um ihre Sterne zu behalten, müssen Hotels Wlan im Angebot haben. Auch für Cafés und ähnliche Unternehmen ist Wlan ein gefragter Service, der sich auszahlen kann.
Was die Sache komplizieren könnte, ist, dass die Wlan-Frage mit einer anderen im Paket verhandelt wird. Der nämlich, die Anbieter von Internetspeicherdiensten dazu zu verpflichten, dass sie illegal angebotene Inhalte löschen, Filme zum Beispiel oder Musikdateien. Das hat vor Kurzem der Bundesgerichtshof so entschieden, allerdings nicht ohne den Antragstellern, also denjenigen, die etwas gelöscht haben wollen, strenge Bedingungen aufzuerlegen. Auch der Streit darüber könnte die Verabschiedung des Gesetzespakets noch ausbremsen.
Kommerzielle Anbieter wie die Telekom sind fein raus
Und dann ist da noch etwas: Beim Europäischen Gerichtshof liegt eine Anfrage eines deutschen Gerichts in Sachen Wlan-Haftung. Wann die Luxemburger Richter das entscheiden werden, ist unklar - es könnte sich hinziehen. "Das Schlimmste wäre", sagt Ralf Koenzen, "wenn darauf gewartet würde." Dabei ist eigentlich klar, dass sich Verbrecher und Terroristen kaum von ihren bösen Absichten werden abbringen lassen, wenn sie vor der Nutzung eines Wlans ein Häkchen setzen müssen dafür, dass sie nichts Böses vorhaben. In vielen Ländern sind öffentliche Wlans daher unkompliziert zugänglich, in Deutschland bis auf Weiteres nicht.
Es könnte somit gut sein, dass Einheimische und Besucher hierzulande noch länger darauf warten müssen, an Flughäfen oder öffentlichen Plätzen ein offenes Wlan vorzufinden. Ein Wlan, bei dem der Anbieter nicht befürchten muss, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Die Betreiber der kommerziellen Zugänge wie etwa die Telekom mit ihren Hotspots wird das freuen. Sie sind überdies schon jetzt von der Haftung ausgenommen.