Peter Bofinger:Wie Japan den Wirtschaftskollaps verhindern kann

Stürzt Japans Katastrophe die Weltwirtschaft in die Krise? Die Folgen sind beherrschbar, sagt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger - aber nur, wenn Japans Regierung jetzt das Richtige tut: Geld in die Märkte pumpen, Unternehmen verstaatlichen.

Alexander Hagelüken

Peter Bofinger, 56, schaut beruflich in die Zukunft: Als Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung schätzt der Würzburger Professor die globale Konjunktur ab. Die Katastrophe in Japan könne einen Schock auslösen, fürchtet er. Die drittgrößte Wirtschaftsnation hatte schon vor dem Beben große Probleme.

Bofinger lehnt Steuersenkungen als 'unverantwortlich' ab

Peter Bofinger: "Japan steckt seit 20 Jahren in einer Wachstumsschwäche."

(Foto: ddp)

SZ: Professor Bofinger, Japan wird durch die furchtbare Natur-Katastrophe mit womöglich Zehntausenden Toten erschüttert. Fabriken stoppen die Produktion. Was bedeutet das alles für die japanische Wirtschaft?

Bofinger: Das ist ein schwerer Schock. Der wirtschaftliche Schaden aus den Beben durch kaputte Infrastruktur, Produktionsausfälle und anderes beträgt nach ersten Schätzungen weit über 100 Milliarden Dollar. Das wäre mehr als nach dem verheerenden Erdbeben in Kobe 1995. Natürlich sind solche Schätzungen unsicher.

SZ: Wie problematisch ist es, dass Japan schon vor dem Beben in keiner guten ökonomischen Verfassung war?

Bofinger: Das ist natürlich eine Belastung. Die Wirtschaft schrumpfte im vierten Quartal 2010 gegen den globalen Aufwärtstrend. Die Wahrheit ist: Japan steckt seit 20 Jahren in einer Wachstumsschwäche.

SZ: Es begann damit, dass in Japan Ende der 80er Jahre eine Aktien- und Immobilienblase platzte und die Konjunktur zusammenbrach.

Bofinger: Dann hatte das Land viele Probleme. Die Regierung versäumte es, die faulen Immobilienkredite aus den Banken zu entfernen. Die Inlandsnachfrage kollabierte. Um das auszugleichen, hätte Japan einen Exportboom gebraucht. Aber bis Mitte der 90er Jahre verdoppelte sich der Yen gegenüber dem Dollar - schlecht für die Exporte. Japan versuchte seine Wettbewerbsfähigkeit über Lohnsenkungen zu verbessern, was die Inlandsnachfrage dauerhaft bremste. Und der Staat häufte hohe Schulden an, so viel wie kein anderes Industrieland.

SZ: Inzwischen liegen die Staatsschulden bei 220 Prozent der Wirtschaftsleistung, also drei Mal so hoch wie in Deutschland. Steigen sie durch die Katastrophe weiter?

Bofinger: Die Verschuldung wird deutlich nach oben gehen. Bisher konnte das Land die Verbindlichkeiten zu relativ geringen Zinsen finanzieren. Wenn jetzt hohe Schulden dazu kommen, wird es Fragen nach der Zahlungsfähigkeit geben.

SZ: Droht in Japan eine Staatspleite?

Bofinger: Nein. Die gesamte Verschuldung ist in Yen. Das Land ist nicht von Auslandsgläubigern abhängig wie die maroden Euro-Staaten Griechenland oder Portugal.

SZ: Die Menschheit sah in den vergangenen Jahren viele Katastrophen, den Tsunami 2004 in Asien oder den Terrorangriff auf New York am 11.September 2001. Lässt sich aus der wirtschaftlichen Reaktion darauf etwas lernen?

Bofinger: Wichtig ist es, sofort - wie dies jetzt die japanische Zentralbank macht - die Finanzmärkte mit viel Geld zu fluten, damit keine Panik entsteht. Dann ließen sich in der Vergangenheit die Wirkungen auf die Konjunktur in dem betroffenen Land und auf die Weltwirtschaft begrenzen. Das ist beispielsweise nach dem 11. September 2001 gut gelungen. Und nach dem Erdbeben in Kobe sackte zwar erst die Konjunktur ab. Aber später wurde dieser Einbruch ausgeglichen durch die riesigen Investitionen in den Wiederaufbau, der auch viele Menschen beschäftigte.

SZ: Was sollte Japan jetzt tun?

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