Wirtschaftsnobelpreis für Elinor Ostrom:Lady first

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Starkult um die eigene Person? Ist der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom fremd. Und ihr Preisgeld? Will sie Studenten und der Forschung spendieren.

Tanjev Schultz

Der Wirtschaftsnobelpreis geht zum ersten Mal an eine Frau. Das Preiskomitee in Stockholm zeichnet die US-Wissenschaftlerin Elinor Ostrom und ihren Landsmann Oliver Williamson aus. Beide sind führend auf dem Gebiet der Institutionenanalyse. Ostrom ist originär keine Ökonomin, sondern Politikwissenschaftlerin.

In ihren Studien hat Ostrom analysiert, wie sogenannte Allmendegüter nachhaltig genutzt werden können. Das betrifft etwa Fischgründe, Weiden und Grundwasserreservoirs, die nicht in privatem Besitz sind. Bei Allmendegütern besteht die Gefahr einer ökonomisch und ökologisch destruktiven Übernutzung. Das Problem ist unter dem Namen "Tragik der Allmende" bekannt. Gestützt auf Fallstudien aus aller Welt zeigt Ostrom, wie die Nutzer stabile Regeln für eine nachhaltige Bewirtschaftung finden können. Auch Umweltschützer stützen sich auf die Arbeiten Ostroms, die seit den 60er Jahren im Mittleren Westen der USA an der Indiana University in Bloomington lehrt.

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Bescheiden und sozial engagiert

Auf dem Campus dieser großen staatlichen Forschungsuniversität gilt Ostrom trotz ihres bereits vor dem Nobelpreis beachtlichen Ruhms als bescheidene und sozial engagierte Professorin, die sich sehr für andere Kulturen interessiert und intensiv um Studenten und Gastwissenschaftler bemüht.

Die 1933 geborene Professorin bezeichnete die Auszeichnung als große Ehre. Sie sei ganz "baff", sagte Ostrom in einer ersten Reaktion. Das Preisgeld - etwa eine Million Euro, die sie sich mit dem zweiten Preisträger teilen muss - wolle sie möglichst Studenten und der Forschung geben, sagte Ostrom. Der Starkult, den andere renommierte Ökonomen pflegen, ist der Amerikanerin völlig fremd. Sie arbeitet gerne im Team und gilt als ungemein fleißig. "Sie ist unermüdlich, ich habe noch nie jemanden mit so einer Arbeitsethik erlebt", sagt ein wichtiger Kollege über sie.

Eines von Ostroms wichtigsten Büchern ist "Governing the Commons" aus dem Jahre 1990, das auf Deutsch unter dem Titel "Die Verfassung der Allmende" erschien. Darin finden sich viele Beispiele für Gemeinschaften, die sich jenseits von Staat und Markt selbst organisieren und die den ökonomischen Alltag gemeinsam regulieren. So berichtet die Autorin von türkischen Fischern, die mit Hilfe einer Lotterie die Seegebiete aufteilen, und von Bauern in der Schweiz, die die Weiden kollektiv bewirtschaften.

Ostroms Ansatz lässt sich auch auf globale Probleme wie den Klimawandel und die Verschmutzung der Meere übertragen. Die Wissenschaftlerin sucht nach dem passenden "institutionellen Design" für eine ökologisch verträgliche Wirtschaftsordnung. Manche bezeichnen Ostrom deshalb als "Öko-Ökonomin". In ihren Arbeiten betont sie stets die Bedeutung einer möglichst großen Vielfalt an institutionellen Formen: "Wenn ein Ansatz schief geht, haben wir bei Vielfalt die Wahl - dann können wir voneinander lernen." Darin liege auch der Charme des Föderalismus.

Vor zwei Jahren warnte Ostrom in einem Interview vor einer wachsenden Ungleichheit bei den Einkommen: "Wenn es immer mehr Reiche gibt, die sich für etwas Besseres halten, ist das nicht gut für die Demokratie." Manche Managergehälter seien "einfach obszön".

Anstöße aus Bielefeld

Wie Ostrom schreibt, erhielt sie wichtige Anstöße für ihre Arbeit während eines Aufenthalts an der Universität Bielefeld Anfang der 80er Jahre. Ostrom hat seitdem gute Kontakte zu deutschen Instituten, Ende Mai erhielt sie den Reimar-Lüst-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Fritz-Thyssen-Stiftung. Vor zwei Jahren erhielt Ostrom die Ehrendoktorwürde der Berliner Humboldt-Universität. In Deutschland löste die Entscheidung des Nobelkomitees nicht zuletzt bei Politikwissenschaftlern große Freude aus. "Es ist gut und bemerkenswert, dass hier eine Frau den Preis erhält, die äußerst interdisziplinär arbeitet", sagte der Governance-Experte Michael Zürn vom Wissenschaftszentrum Berlin. Ostroms Studien würden zu eng gefasste ökonomische Ansätze überwinden, sagte Zürn der SZ. Ostrom war in den 70er Jahren Vizepräsidentin und Mitte der 90er Jahre Präsidentin der Amerikanischen Vereinigung von Politikwissenschaftlern.

Offenbar wollte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften bewusst Forscher stärken, die abseits der klassischen ökonomischen Markttheorien arbeiten. Die Arbeiten von Ostrom und Williamson würden zeigen, dass ökonomische Analysen viele Formen der sozialen Organisation beleuchten könnten, erklärte das Preiskomitee. Es betonte, Ostrom habe den Nobelpreis nicht deshalb bekommen, weil sie eine Frau ist, sondern ausschließlich wegen ihrer Verdienste in der Forschung. Insgesamt sind in diesem Jahr fünf Frauen mit dem berühmtesten Preis der Welt ausgezeichnet worden.

Der Wirtschaftswissenschaftler Oliver Williamson erhält den Nobelpreis für seine Studien zu der Frage, warum manche Geschäfte innerhalb von Unternehmen abgeschlossen werden und nicht auf dem Markt. Dabei geht es ihm um Abhängigkeiten und die Kosten der Konfliktlösung: Je stärker die Abhängigkeit zweier Parteien ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich in einer Institution zusammenschließen. Nach Williamsons Erkenntnissen existieren große Unternehmen, weil sie effizient sind - und sie hören auf zu existieren, wenn sie diese Effizienzgewinne nicht mehr liefern können. Der 1932 geborene Wissenschaftler lehrt an der staatlichen Universität von Kalifornien in Berkeley.

© SZ vom 13.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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