Wirtschaftskrise:Die Schwarzarbeit boomt

Lesezeit: 3 min

Deutschland, Land der Schwarzarbeit: Immer mehr Arbeitnehmer versuchen Einkommenverluste durch illegale Nebentätigkeiten aufzufangen.

Thomas Öchsner

Die Schwarzarbeit hat in der Wirtschaftskrise deutlich zugenommen. Das geht aus Berechnungen hervor, die der Volkswirtschaftsprofessor der Linzer Universität, Friedrich Schneider, vorgelegt hat. Das Institut der deutschen Wirtschaft sieht 2009 ebenfalls einen Trend zu mehr Schwarzarbeit. Diese hat aber auch positive Folgen: Der private Konsum wird zusätzlich angekurbelt.

Am Bau, im Haushalt, in der Gastronomie: Schwarzarbeit ist Alltag in Deutschland. Dem Staat entgehen so jedes Jahr viele Milliarden. (Foto: Foto: dpa)

Arbeiten, ohne die Einnahmen zu versteuern, ist in Deutschland weit verbreitet. Jeder fünfte arbeitet selbst - meist nebenbei - schwarz. Fast jeder dritte fragt Schwarzarbeit nach und gibt dafür etwa 1000 Euro jährlich aus. In gut vier Millionen Haushalten wird eine Hilfe beschäftigt, die in etwa 95 Prozent aller Fälle nicht angemeldet ist. Diese Zahlen gehen aus repräsentativen Umfragen hervor, die das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Auftrag gab.

Da Schwarzarbeit im Verborgenen stattfindet, gibt es aber keine amtlichen Statistiken über ihren Umfang. Trotzdem ist sich der Ökonom Schneider sicher: "In der Rezession boomt die Schwarzarbeit wie lange nicht." Der Wissenschaftler, der sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Phänomen der Schattenwirtschaft beschäftigt, begründet dies vor allem mit den Einnahmeverlusten der Menschen in der Wirtschaftskrise.

"Die Arbeitslosigkeit steigt, die Kurzarbeit hat extrem zugenommen, die Überstunden gehen zurück - diese Verdienstverluste versuchen die Leute auszugleichen, indem sie illegal nebenbei Geld verdienen", sagt Schneider. Außerdem hätten Menschen, die von den Unternehmen überhaupt nicht mehr oder weniger eingesetzt werden, auch mehr Zeit, an Steuer und Sozialversicherung vorbei zu arbeiten. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im September gut eine Million Menschen als Kurzarbeiter registriert.

Schneider schätzt, dass das Volumen der Schattenwirtschaft in Deutschland in diesem Jahr um mindestens 15 Milliarden Euro auf bis zu 365 Milliarden Euro gestiegen ist. Für 2008 hat der Professor, der seine Zahlen durch Umfragen und an Hand der Veränderungen der Geldmenge ermittelt, 347 Milliarden Euro veranschlagt.

Dabei geht es nicht nur um Schwarzarbeit, dessen Volumen Schneider 2008 mit knapp 160 Milliarden Euro beziffert. Zur Schattenwirtschaft gehört auch das Beschaffen von Material ohne Rechnung (mehr als 80 Milliarden Euro) und die sogenannte Untergrundwirtschaft (105 Milliarden Euro). Der Ökonom zählt dazu Betrug, Schmuggel, Menschen- und Drogenhandel, verbotene Glücksspiele und Hehlerei.

Anders als Schneider will sich der IW-Experte Dominik Enste nicht auf konkrete Zahlen festlegen. Der Wirtschaftsethiker des Kölner Instituts verweist aber auf internationale Studien, die für ihn einen Anstieg der Schwarzarbeit plausibel machen.

Demnach wollen Menschen 1800 bis 1900 Stunden im Jahr arbeiten. Ist ihre offizielle Arbeitszeit, zum Beispiel auf Grund von Kurzarbeit, weniger lang, fördere dies die Schwarzarbeit. "Viele Menschen wollen nicht unproduktiv auf der Couch sitzen und nachmittags Fernsehen schauen. Da verdienen sie sich lieber steuerfrei ein Zubrot nebenbei", sagt Enste.

Er ist überzeugt, dass dafür in der Krise auch die Hemmschwelle gesunken ist: "Wenn Banken vom Staat trotz ihrer Verfehlungen in der Finanzkrise viele Milliarden zu ihrer Rettung bekommen, drückt dies auf die Steuermoral." Schwarzarbeit werde dann "zum Liechtenstein des kleines Mannes". Es sei ein Vorurteil zu glauben, Schwarzarbeit sei vor allem unter Arbeitslosen besonders häufig. Umfragen zeigten vielmehr, dass es auch bei Facharbeitern und Selbständigen gang und gäbe sei, Arbeitsstunden am Fiskus vorbei zu leisten.

Die positive Seite der Schwarzarbeit

Enste erinnerte an das "Phänomen Wolfsburg". Als in den neunziger Jahren VW in dem niedersächsischen Werk die Vier-Tage-Woche einführte, zogen die Umsätze der Baumärkte in der Umgebung deutlich an. Handwerk und Baugewerbe klagten über Auftragsschwund. Felix Pakleppa, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, fällt dazu ein alter Spruch aus seiner Branche ein: "Freitags ab eins, macht jeder seins." Er sieht durchaus die Gefahr, dass in einer Phase, in der die Menschen mehr Zeit haben, die Schwarzarbeit steigen könnte. Pakleppa fordert deshalb, die steuerliche Absetzbarkeit von Bauleistungen weiter zu verbessern.

Eine amtliche Bestätigung für die Zunahme der Schwarzarbeit gibt es allerdings nicht. In Deutschland sind 6500 Zollbeamte im Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung eingesetzt. Den Gesamtüberblick hat die Bundesfinanzdirektion in Köln. Dort sagt ein Sprecher: "Schwarzarbeit spielt sich im Verborgenen ab. Es liegt deshalb in der Natur der Sache, dass wir keine konkreten Zahlenangaben machen können."

Schneider lässt sich davon nicht irritieren. Er gewinnt der Schwarzarbeit sogar positive Aspekte ab. Zwar verlören der Staat und die Sozialkassen dadurch jährlich etwa zehn Milliarden Euro. Der größte Batzen des unversteuert erwirtschafteten Geldes fließe aber wieder in den Konsum und dämpfe so den Abschwung.

© SZ vom 23.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: