Wirtschaftskriminalität:Absturz eines Star-Reeders

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Niels Stolberg, 57, war mal so etwas wie der Popstar unter Deutschlands Reedern. Nun muss er ins Gefängnis. (Foto: dpa)

Niels Stolberg war mal so etwas wie der deutsche Vorzeige-Reeder. Dann begann ein tiefer Fall. Ein Gericht hat ihn nun zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Als dieser Prozess begann, hat Niels Stolberg einen bemerkenswerten Satz gesagt. "Irgendwann wird es ein zweites Leben für mich geben." Darauf freue er sich. Seither sind mehr als zwei Jahre vergangen, und nun sitzt Stolberg wieder hier, in Saal 231 des Bremer Landgerichts und wartet auf das Urteil. Wie viele Jahre Haft liegen zwischen ihm und diesem zweiten Leben?

Niels Stolberg, 57, war mal der Popstar unter Deutschlands Reedern. 1995 gründet er mit einem Geschäftspartner die Reederei Beluga Shipping. Das Unternehmen spezialisiert sich auf Schwertransporte auf See, die Geschäfte wachsen rasant. 1997 erwirbt Beluga ein erstes eigenes Transportschiff. Zehn Jahre später besitzt die Reederei mehr als 50 Frachter.

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Grund sind ausstehende Rechnungen in Millionenhöhe. Bis die bezahlt sind, hat eine Behörde in Gibraltar das Schiff beschlagnahmt.

Stolberg eröffnet Dependancen in Brasilien, in China, in den Niederlanden. Zudem engagiert er sich sozial, fördert die Ausbildung der Seeleute. Er ist eloquent, charmant, mitreißend. Norddeutschland liebt ihn enthusiastisch und stattet ihn mit allen Ehren aus: Stolberg wird "Entrepreneur des Jahres" und "Mutmacher der Nation", er bekommt die Mitverantwortung für das "Schaffermahl", das wichtigste gesellschaftliche Ereignis der Schifffahrtsbranche. Und er wird, natürlich, Aufsichtsrat bei Werder Bremen. Dann kommt der Absturz.

Er habe Fehler gemacht, und er bitte dafür aufrichtig um Entschuldigung, sagt Stolberg am letzten Prozesstag vor der Urteilsverkündung. Die Fehler heißen im Juristendeutsch: Bilanzfälschung und Kreditbetrug in mehreren Fällen. Schon 2006 und 2007 hat Stolberg bei den Banken den Preis neuer Schiffe, deren Kauf er mit Krediten finanzierte, zu hoch angegeben, um damit höhere Finanzierungsraten zu erreichen. "Ohne Not", wie die Richterin anmerkt, schließlich seien die Geschäfte von Beluga gut gelaufen, von der Krise der Branche war damals noch nichts zu spüren. "Nur, um die ersehnte Weltmarktführerschaft zu erreichen."

Er habe alles verloren, sagt er

Anders war die Lage im Jahr 2010, als Stolberg die Bilanz 2009 fälschen ließ. Da hatte die Wirtschaftskrise das Unternehmen hart erwischt, und Stolberg versuchte, die Lage der Reederei zu vertuschen. Er hätte Kosten reduzieren und Rückzahlungen aussetzen müssen, sagt die Richterin. "Aber dazu konnten Sie sich nicht durchringen." Stattdessen versuchte Stolberg mit dem Täuschungsmanöver den Laden zu retten. Und seinen gesellschaftlichen Status. Was davon das Wichtigste war? Stolberg, das ist das Bild, das Zeugen, Staatsanwälte und am Ende auch die Richterin zeichnen, ist eben nicht nur sozial engagiert, nicht nur ein Motivator, ein Menschenfänger. Er ist auch ein Mann mit Hang zum Größenwahn.

Drei Jahre und sechs Monate Haft. Stolberg nimmt das Urteil stoisch zur Kenntnis, erst in den folgenden knapp zwei Stunden, in denen die Begründung verlesen wird, sinkt er immer weiter in sich zusammen. Er hatte um eine Bewährungsstrafe gebeten. Er hatte gehofft, dass der Weg zum zweiten Leben kürzer sein würde. Aber für eine Bewährung "war es einfach zu viel", sagt die Richterin. Dabei rechnet sie ihm viele Dinge strafmildernd an. Stolberg hat gleich zu Prozessbeginn Verfehlungen eingeräumt, er hat Unterlagen aus dem Ausland beschafft, die für das Gericht schwer zugänglich gewesen wären. Er war kooperativ. Und er ist zum Prozess gekommen, an jedem einzelnen Verhandlungstag. "Trotz Ihrer schweren Erkrankung."

2017 wurde bei Stolberg Magenkrebs diagnostiziert. Er habe alles verloren, sagt er. Seine Gesundheit, Ansehen, Vermögen. Er musste Privatinsolvenz anmelden. "Sie haben ungefähr 2,2 Milliarden Euro Schulden", sagt die Richterin. Stolberg hat Aufstieg und Absturz in ein Buch gepackt, das im Sommer erscheinen soll. Es heißt "Unsinkbar" und spielt wohl in einem anderen, alten Leben.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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