Wirtschaftsfaktor US Open:New Yorks besondere Liebesbeziehung

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Die durch die US Open zusätzlich generierten Einnahmen dürften für New York in diesem Jahr bei 750 Millionen Dollar liegen. (Foto: AP)

Überteuerte Tickets, Steaks und Souvenirs: Die US Open bescheren New York jährlich hunderte Millionen Dollar an Einnahmen. Doch die Besucherzahlen sind rückläufig. Deshalb arbeiten die Verantwortlichen fieberhaft an neuen Übertragungskonzepten.

Von Jürgen Schmieder, New York

Der kleine Junge ist ungeduldig. Er schiebt seinen Vater vor sich her und benutzt ihn als menschliches Schutzschild gegen all die anderen herumwuselnden Menschen. Er hat ein straffes Programm vorbereitet, das nun abgearbeitet werden will - der Bub ist bestens informiert: "Gleich trainiert Novak Djokovic auf Platz drei, er schreibt danach durchschnittlich sieben Minuten lang Autogramme. Danach spielen die Bryan-Brüder auf dem Grandstand, die will ich auch sehen - vielleicht schaffen wir dann noch Serena und Williams beim Training. Platz zwei. Und ich brauche dringend das T-Shirt mit der Aufschrift Betterer!"

Der Vater trottet vorneweg, er entschuldigt sich für jeden Rempler. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er da in eine gewaltige Falle getappt ist: Er ist nach Flushing Meadows gekommen mit der Aussicht, in der Sonne zu sitzen, ein wenig Tennis zu gucken und vielleicht ein paar Bier zu trinken, nun muss er so viel laufen wie ein Akteur während eines Fünf-Satz-Matches.

Es ist Dienstagmittag bei den US Open, gerade befinden sich mehr als 30 000 Menschen auf der Anlage. Es geht zu wie in Disneyland, nur dass statt Minnie Mouse, Donald Duck und Prinzessinnen als Attraktionen Sportler wie Maria Scharapowa, Roger Federer und die Williams-Schwestern herhalten müssen, statt nach Zuckerwatte riecht es nach Frittenfett, statt Achterbahnen gibt es Tennisball-Attraktionen.

Ein paar Väter haben bereits aufgegeben, sie liegen auf der Wiese und schnarchen. So ein Tag bei diesem Turnier ist anstrengend, vor allem aber ist er teuer. Die US Open sind eine gewaltige Einnahmequelle für den amerikanischen Tennisverband USTA, es würde kaum einen Unterschied machen, wäre statt der Werbestände für Champagner, Fluglinien und Automarken einfach eine Gelddruckmaschine installiert.

Das teuerste Ticket kostet 1519, ein Bier mehr als zehn Dollar

Auf der billigsten Eintrittskarte - ganz oben im Arthur Ashe Stadium während einer Abendveranstaltung am zweiten oder dritten Spieltag - steht ein Preis von 27 Dollar. Das teuerste Ticket (Frauenfinale am Sonntag oder Männerendspiel am Montag) kostet 1519 Dollar. Ein Bier wird für mehr als zehn Dollar feilgeboten, ein Brötchen mit Steak darin für 18 Dollar. Dazu kommen zahlreiche Souvenirs. Eine Mütze mit dem Logo von Roger Federer: 26 Dollar. Ein Autogrammball: 45 Dollar. Ein Kleidchen von Serena Williams: 80 Dollar.

Natürlich sollte der Besucher zur Verbesserung seiner Chancen auf der Autogrammjagd so ein Kleidungsstück tragen, Federer etwa sagt: "Ich versuche, so viele Hemden und Caps mit meinem Logo zu unterschreiben, weil ich das Gefühl habe, dass es diesen Menschen wirklich, wirklich darum geht, mich zu treffen."

Die Veranstalter erwarten in diesem Jahr 700 000 Zuschauer und rechnen mit Einnahmen von knapp 100 Millionen Dollar aus dem Verkauf der Eintrittskarten. Dazu kommen noch Erlöse aus Fernsehverträgen und Konzessionen sowie Einnahmen durch Sponsoren. Insgesamt setzt der amerikanische Verband innerhalb von zwei Wochen mehr als 260 Millionen Dollar um. "Wir haben ein sehr starkes Geschäftsmodell mit steten Einnahmen", sagt Chris Widmaier von der USTA: "Die US Open sind ein unglaublicher ökonomischer Motor für die Stadt New York."

New Yorks Einnahmen liegen bei 750 Millionen Dollar

Das verdeutlicht eine andere, eine noch höhere Zahl: Die durch die US Open zusätzlich generierten Einnahmen in der Metropole dürften in diesem Jahr bei 750 Millionen Dollar liegen. 13 000 Menschen bekommen zwei Wochen lang Arbeit, was einer Studie zufolge beinahe 900 Vollzeitstellen entspricht. "Das klingt hoch, aber es stimmt und ist nachvollziehbar. 45 Prozent der Zuschauer wohnen nicht in New York oder dem Umland, 15 Prozent davon kommen aus dem Ausland", sagt Widmaier: "Hotels, Restaurants, Taxifahrer und kulturelle Einrichtungen profitieren während dieser zwei Wochen."

Zum Vergleich: Die Super Bowl, das Endspiel der nordamerikanischen Footballiga NFL, wird gemeinhin als das lukrativste Einzelereignis der Welt bezeichnet, im Februar fand das Finale hier in New York statt. Es war eine Veranstaltung gigantischen Ausmaßes, ein überdimensioniertes Spektakel. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf New York: 430 Millionen Dollar.

Alles in Ordnung also bei den US Open, mag man glauben - was soll auch schon passieren mit diesem Turnier, das zu New York gehört wie fettige Pizza und der Madison Square Garden? Nur: Die Besucherzahlen sind in diesem Jahr leicht rückläufig, die TV-Quoten gingen zuletzt stark zurück. Am vergangenen Wochenende sahen durchschnittlich nicht einmal eine Million Menschen zu. Der frei empfangbare Kanal CBS steigt deshalb aus, vom kommenden Jahr an wird nur noch der Kabelsender ESPN übertragen. 825 Millionen Dollar bezahlt der Sportkanal für den elf Jahre dauernden Vertrag. Das ist viel Geld, angesichts der TV-Verträge in anderen Sportarten aber auch keine wahnsinnig hohe Summe.

Die US Open müssen sich weiter entwickeln, um auch weiterhin zuverlässig Einnahmen zu generieren. "Die größten Potenziale sehen ich auf dem internationalen Fernsehmarkt und im digitalen Bereich", sagt Widmaier. Durch asiatische Spieler wie Kei Nishikori und Peng Shuai (beide stehen im Halbfinale) dürfte das Interesse in Ländern wie Japan und China weiter steigen, zudem plant der Verband die Übertragung der Spiele im Internet. Bereits bei diesem Turnier wurde deutlich, dass die Ansetzung der einzelnen Partien weniger aus sportlichen Gründen erfolgt, sondern sich damit begründen lässt, die Spiele zur jeweils besten Sendezeit im Heimatland der Protagonisten ausstrahlen zu können und damit die Einnahmen aus der internationalen Vermarktung zu erhöhen.

Dazu wird derzeit die komplette Anlage für 550 Millionen Dollar umgebaut: Das Arthur Ashe Stadium bekommt eine bewegliche Dachkonstruktion, die beiden anderen großen Arenen werden komplett neu gebaut. "Andere Vereine in New York haben neue Sportstätten errichtet, damit müssen wir konkurrieren", sagt Widmaier.

Offiziell stemmt die USTA die Kosten für die Umbauten alleine, es werden keine öffentlichen Gelder verwendet. Allerdings: Die Stadt New York hat die USTA über die Behörde New York City Industrial Development Agency im vergangenen Jahrzehnt mit 170 Millionen Dollar gefördert und ihr ein für den Umbau nötiges Grundstück recht günstig überlassen. Die Steuerzahler sind also doch irgendwie beteiligt an diesem gewaltigen Projekt.

Warum auch nicht? Die US Open und die Stadt New York befinden sich in einer symbiotischen Beziehung, man könnte angesichts der gewaltigen Wirtschaftskraft auch sagen: Das Turnier braucht New York - und die Stadt braucht die US Open. Beide Partner investieren derzeit sehr viel Geld, dass auch künftig ein Vater mit seinem Sohn nach New York fliegt und dort in einem Hotel wohnt. Dass er dann mit dem Taxi oder der U-Bahn nach Flushing Meadows fährt, Eintrittskarten und Souvenirs und Essen kauft und viele Stunden in diesem Disneyland mit Tennisbällen verbringt.

© SZ vom 06.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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