Wirecard:Willfährige Geldgeber

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Der Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal tagt im Europasaal des Bundestags. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Der Untersuchungsausschuss will wissen, warum so viele Banken Wirecard noch so lange Kredit gewährt haben. Nur ein Geldhaus war kritisch.

Von Cerstin Gammelin und Meike Schreiber, Berlin, Frankfurt

Was öffentlich ist und was nicht, bestimmt im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal noch immer die große Koalition. Also jene Parteien, in deren Regierungszeit die meisten Verfehlungen fallen. Wie an diesem Donnerstag, als zum siebten Mal Zeugen vernommen werden, um aufzuklären, wer welche Verantwortung trägt für zehntausendfachen Anlegerbetrug des so lange gefeierten Zahlungsdienstleisters Wirecard. Zwar sind die geladenen Zeugen - allesamt hochrangige Banker - mehrheitlich einverstanden, dass die Befragungen digital übertragen werden. Was ja in Zeiten von grassierenden mutierten Viren nur logisch ist. Aber dann ist den Regierungsparteien offenbar der Wahlkampf wichtiger. Die Opposition stellt einen Antrag auf Streaming, SPD und Union lehnen ab. Die Presse muss raus aus dem Sitzungssaal, als der Ausschuss abstimmt.

Es geht an diesem Donnerstag im Bundestag um die Rolle der Banken im wohl größten Bilanzskandal eines Dax-Konzerns. Wirecard hatte jahrelang unter den Augen von Politik und Aufsicht betrogen und war im Sommer 2020 pleitegegangen. Die Abgeordneten wollten herausfinden, warum die Institute dem kollabierten Zahlungsabwickler Kredite gewährt haben, obwohl es in den Medien zahlreiche Berichte über mögliche Bilanzfälschungen bei Wirecard gab. 15 Banken hatten Wirecard im Sommer 2018 eine Kreditlinie von 1,75 Milliarden Euro gegeben, welche das Unternehmen noch kurz vor der Pleite vollständig gezogen hatte.

Prominentester Zeuge ist Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Auch Ex-Commerzbank-Chef Martin Zielke ist geladen. "Der Wirecard-Skandal ist ja neben allem anderen ein großer Bankraub", sagt der FDP-Abgeordnete Florian Toncar. Die Banken sieht er in einer Doppelrolle. "Sie sind Geschädigte, aber auch diejenigen, die Risiken abschätzen und bewerten müssen". Insbesondere die Zeugen der teilstaatlichen Commerzbank sind politisch brisant. "Was uns die Commerzbank erzählt, wird mitentscheiden über das Schicksal von Jörg Kukies", sagt Toncar.

Kukies ist Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, er hatte den Job 2018 übernommen beim Amtsantritt des sozialdemokratischen Finanzministers und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Zuvor war Kukies lange Deutschland-Co-Chef der Investmentbank Goldman Sachs gewesen - die wiederum zeitweise Aktionär von Wirecard war. Kukies hat als Staatssekretär aber auch engen Kontakt zur Commerzbank gehalten, es steht die Frage im Raum, ob er dabei die Grenzen seines Amts überschritten hat. Aber auch für die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die bei der Aufsicht mannigfaltig versagt hat, könnten die Aussagen heikel werden.

Gegen 13.40 Uhr beginnt die Beweisaufnahme, der erste Zeuge. "Mein Name ist Markus Kramer, mein Beruf ist Vorstandsmitglied der Bayrischen Landesbank." Kramer soll erklären, warum sich die Bank rechtzeitig aus dem Wirecard-Geschäft verabschiedet hat. "Sie hat als einzige Bank ihre Hausaufgaben gemacht", sagt der Grüne Danyal Bayaz.

Kramer sieht das so: 2016 hatte die Landesbank Wirecard als Kunde gewonnen, auch, weil der Vertriebsvorstand gute Beziehungen zum Finanzvorstand Burkhard Ley gehabt habe. "Es war eine hochinteressante Adresse." Wie üblich stieg man erst einmal klein ein. "Wir haben das Unternehmen analysiert und sind zu Stärken und Schwächen gekommen und haben das kleinste Ticket unterschrieben" - 45 Millionen Euro. Bis 2018 wurde der Kredit auf Bitten von Wirecard auf 60 Millionen erhöht, Wirecard habe damals um eine noch größere Summe gebeten. Die Antwort? Nein. "Wir sollten 150 Millionen Euro oder noch mehr für sieben Jahre aus der Hand geben. Wir machen das nur, wenn wir den Kunden sehr gut verstehen." Dabei seien aber wichtige Fragen zum Geschäftsmodell und der komplexen Bilanzstruktur der Firma offen geblieben.

Anders als die Bayern LB ging die Commerzbank bei Wirecard voll ins Risiko, musste am Ende nahezu 200 Millionen Euro abschreiben. Die teilstaatliche Bank hat nicht nur das Bankenkonsortium koordiniert, sondern war zugleich Korrespondenzbank von Wirecard. Als solche leitete die Commerzbank Zahlungen nach Asien durch und sah dabei Auffälligkeiten. Ab Frühjahr 2018 gab die Compliance-Abteilung daher erste Geldwäsche-Verdachtsmeldungen an die zuständigen Behörden. Intern verhallten diese Warnungen zunächst, bis der Bank die Sache 2019 dann doch zu heikel wurde, sie die Korrespondenzbank-Beziehung kündigte und die Geldwäsche-Sorgen der Bafin mitteilte. Den Mut, Wirecard im Frühjahr 2020 die Kreditlinie zu verweigern, brachte man indes nicht auf, ebenso wenig warnte man die übrigen Banken im Konsortium. Der damalige Bankchef Zielke und sein Ex-Kollege Chromik sollten am Abend dazu vortragen.

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