Microsoft Windows 8:Alles auf cool

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Apple? Kreativer Spaß! Microsoft? Nervige Arbeit. Mit Windows 8 will Microsoft nun auch sexy werden. Für das monopolverwöhnte Unternehmen könnte es die letzte Chance sein.

Oliver Hollenstein

"500 Dollar?", schreit Microsoft-Chef S teve Ballmer in das Mikrofon und lacht schallend. "Das ist das teuerste Telefon der Welt!" Das sei ja nicht einmal für Geschäftsleute interessant, schließlich habe das Gerät keine Tastatur, um E-Mails zu schreiben. Das war 2007.

An diesem Freitag veröffentlicht Microsoft sein neues Betriebssystem Windows 8. Mit radikalen Neuerungen hat der Konzern es zur wichtigsten Produktveröffentlichung seit Jahren erklärt, bis Weihnachten folgt eine riesige Werbekampagne. Und tatsächlich geht es für Microsoft um nicht weniger als das Überleben.

Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte mit dem einst mächtigsten Softwarekonzern der Welt, hilft es, sich Ballmers Gelächter über das 500-Dollar-Telefon anzuschauen, das als Video im Internet abrufbar ist. Das Gerät, über das Ballmer 2007 lachte, war das iPhone. Heute, fünf Jahre später, verdient Apple mit den iPhones allein so viel, wie Microsoft mit all seinen Produkten zusammen.

Apple ist der wertvollste Konzern der Welt. Microsoft steht dagegen am Ende eines Jahrzehnts, in dem es alle Trends verpasste: MP3-Player, Smartphones, Tablets, soziale Netzwerke, E-Books. Lange war das für den Konzern, der 36.000 Entwickler beschäftigt und allein im vergangenen Jahr 9,8 Milliarden Dollar für Forschung an neuen Produkten ausgegeben hat, kein Problem. Das Betriebssystem Windows, das auf 90 Prozent aller PCs weltweit läuft, und die Standard-Bürosoftware Office sicherten die finanzielle Basis.

Doch inzwischen beginnt die Nach-PC-Ära. Im vergangenen Jahr wurden laut den Marktbeobachtern von Deloitte erstmals mehr Smartphones und Tablets verkauft als PCs. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren wohl noch stärker fortsetzen wird. Bei den mobilen Geräten spielt Microsoft aber fast keine Rolle. Das macht sich nun bemerkbar: Im zweiten Quartal des Jahres musste der Konzern sogar erstmals seit dem Börsengang 1986 einen Verlust melden.

Es drängen sich zwei Fragen auf: Wie konnte es mit dem Konzern so weit kommen, der einst als unantastbarer Monopolist galt? Und wie will und kann der Konzern wieder aus seinem Tal kommen?

35 Jahre Microsoft Windows
:Erfolg hat viele Fenster

Am 20. November 1985 fing alles an. Die damals noch weitgehend unbekannte Softwarefirma Microsoft veröffentlichte mit Windows 1.0 die erste grafische Benutzeroberfläche für MS-DOS. Ein Rückblick.

Schon in den 1990ern entwickelte Microsoft ein E-Book und ein Tablet. Auch bei Mobiltelefon-Software waren sie früh dabei. Nur: Entweder die Produkte kamen nie auf den Markt. Oder sie floppten.

Für den US-Journalisten und Buchautor Kurt Eichenwald liegt das Problem des Konzerns in der Unternehmenskultur und dem Führungsstil bei Microsoft. Im August schrieb er für die Zeitschrift Vanity Fair über "Microsofts verlorenes Jahrzehnt". In der Titelgeschichte schildert er detailliert die Probleme bei Microsoft.

Im Laufe der Jahre sei Microsoft immer bürokratischer geworden. Die Führungsebene habe sich immer mehr dafür interessiert, mit neuen Technologien viel Geld zu verdienen, statt gute Produkte zu entwickeln, zitiert Eichenwald ehemalige Mitarbeiter. Oft sei die Frage gewesen: Wie lässt sich das in Windows oder Office integrieren?

"Ideenloser Zombie"

Außerdem habe es Microsoft geschafft, mit einem internen Anreizsystem dafür zu sorgen, dass hervorragende Entwickler statt miteinander lieber gegeneinander arbeiten. In jedem Jahr seien die Mitglieder eines Teams nach ihrer Leistung bewertet worden - die besten bekamen Boni, die schlechtesten wurden rausgeschmissen. Dadurch habe sich eine immer destruktivere Kultur der Konkurrenz und des Strippenziehens entwickelt.

Microsoft sei, so Eichenwald, wie ein "Automobilkonzern, der immer glitzendere Modelle des gleichen Produkts herausbringt, während die Konkurrenz die Welt auf den Kopf stellt."

Das Magazin Forbes brachte es kürzlich so auf den Punkt: Während Apple den Computer bedienerfreundlich machte und seine Funktionen nach und nach in den Alltag integrierte, wollten die gealterten Technik-Nerds bei Microsoft nicht einsehen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, Computer zu nutzen.

Und auch wenn Microsoft die dank Windows und Office prall gefüllte Kriegskasse nutzte, um mit Milliarden-Investments Produkte wie den MP3-Player Zume oder die Suchmaschine Bing zu entwickeln - sie liefen stets der innovativeren Konkurrenz hinterher. Der Spiegel bezeichnete den Konzern jüngst als "ideenlosen Zombie, der bloß getragen von den Windows-Profiten aus alten Tagen noch durch die Gegend wankt".

Doch nachdem der Konzern jahrelang auf Kosten seiner Substanz lebte, ist der Druck inzwischen offensichtlich groß genug. Ungewöhnlich innovativ; kaum zu glauben, dass das von Microsoft kommt; radikal neu, urteilten Technik-Journalisten in den vergangenen Wochen über Windows 8. ( Hier die SZ-Rezension.)

Mit dem neuen Betriebssystem verabschiedet sich Microsoft vom klassischen Windowslook mit Symbolen auf dem Desktop - den ursprünglich sowieso Apple eingeführt hatte. Der berühmte Start-Button verschwindet ebenfalls. Stattdessen besteht der Bildschirm jetzt aus bunten Rechtecken, Kacheln genannt, hinter denen sich jeweils verschiedene Apps befinden.

Der Clou: Die Oberfläche soll auf allen Geräten gleich aussehen, egal ob auf dem PC oder dem Handy. Damit könnte Microsoft zwei große Vorteile ausspielen: Die einheitliche Oberfläche ist zum einen gut für den Kunden, der sich nur an ein Bedienkonzept gewöhnen muss. Es ist zum anderen gut für die App-Entwickler, denn es ist nicht notwendig, die Software an verschiedene Systeme anzupassen.

Hohes Risiko

Doch Microsoft geht damit auch ein hohes Risiko ein: Die Windowsnutzer sind seit 17 Jahren, seit der Einführung von Windwos 95, an den Start-Button und den Desktop gewöhnt. Auch wenn man auf die alte Oberfläche umschalten kann - es ist unklar, wie Kunden auf diesen Schock reagieren. Ballmer selbst bezeichnete die neue Software als Wette.

Vor allem die wichtigste Kundengruppe von Microsoft, die Unternehmen, sind bisher noch skeptisch. Microsoft macht rund zwei Drittel seiner Umsätze mit den Firmenkunden. Doch nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Forrester plant bisher nur jedes dritte Unternehmen, auf Windows 8 umzusteigen. Bei der Einführung von Windows 7 vor drei Jahren waren es zwei von drei Firmen gewesen.

In einem Bericht des Wall Street Journals äußerten die IT-Experten mehrerer Konzerne die Befürchtung, es müssten erstmals seit Jahren wieder Softwareschulungen für das neue Betriebssystem durchgeführt werden. Für viele, die schon auf Windows 7 umgestiegen sind, ist die neue Version wohl eher uninteressant, mutmaßt die Zeitung. Allerdings gilt auch: Derzeit läuft auf vielen Rechnern noch Windows XP - und dafür stelle Microsoft 2014 den Support ein.

Mehr als in der Vergangenheit scheint für die Strategen bei Microsoft daher wichtig zu sein, dass sich Windows 8 bei Privatkunden durchsetzt - der Grund wohl, warum Microsoft das neue Windows mit Kampfpreisen von 30 Euro deutlich günstiger als die Vorgänger verkauft.

Denn Experten sehen einen Trend: Die Menschen wollen zu Hause, auf dem Handy, auf dem Tablet und im Büro am liebsten mit dem gleichen System arbeiten und sich nicht umgewöhnen. Microsoft muss, so haben es die Verantwortlichen erkannt, also cooler werden, um auch im Stammgeschäft weiterhin Geschäfte zu machen - und nicht von der Konkurrenz verdrängt zu werden.

Das gilt vor allem, weil immer mehr Firmen für ihre Mitarbeiter iPads anschaffen. Aus diesem Grund greift der Konzern auch noch auf einem anderen Markt an: Mit dem eigenen Tablet Surface, das eine eingebaute Tastatur besitzt, will der Konzern beweisen, dass ein Gerät Arbeit und Entertainment vereinen kann - und sich damit vom eher auf Unterhaltung ausgelegten iPad absetzen ( Surface-Rezension hier).

Am Ende bleibt aber trotz aller guten Kritiken die Frage, ob die Kunden Microsoft den Imagewandel abnehmen: Cool ist, was die Kunden cool finden.

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