Wettbewerb bei der Bahn:Es kracht im Nahverkehr

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Schwere Schlappe für die Bahn: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass der letzte Staatskonzern im Nahverkehr nicht einfach Aufträge abgreifen darf, sondern auch Wettbewerber eine Chance haben müssen.

Der deutsche Nahverkehr steht vor einer grundlegenden Neuordnung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Wettbewerb um lukrative Verkehrsverträge im deutschen Regionalverkehr gestärkt.

Der Bundesgerichtshof hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Es stärkt den Wettbewerb im Bahnverkehr. (Foto: ddp)

Die Karlsruher Richter kippten einen Vertrag des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) mit der Deutschen Bahn über eine direkte Vergabe von S-Bahn-Angeboten. Das dürfte bundesweit Auswirkungen haben.

Der Konkurrent Abellio hatte Beschwerde eingelegt. Er sah sich benachteiligt, weil der Auftrag nicht ausgeschrieben worden war. Nach Angaben der Bahn betrifft die Grundsatzentscheidung des BGH mehr als 30 bevorstehende direkte Vergaben und hat damit eine weitreichende Bedeutung für den deutschen Nahverkehrsmarkt. Die Bahn erklärte, sie sei für mehr Wettbewerb gerüstet. Seit langem würden mehr als zwei Drittel der deutschen Strecken im Wettbewerb vergeben.

Verkehrsangebote im Nahverkehr werden von den Ländern oder Verkehrsverbünden an Bahnunternehmen vergeben. Dafür stellt der Bund Regionalisierungsmittel in Milliardenhöhe bereit. Bahn und VRR hatten 2009 nach jahrelangem Streit vereinbart, dass die Bahn moderne Züge beschafft und dafür bis 2023 die Aufträge für die S-Bahnverbindungen bekommt.

Mit der BGH-Entscheidung wird der VRR-Vertrag unwirksam. Ein älterer Vertrag gilt wieder, der den VRR schlechter stellt. Einem internen Papier zufolge rechnet der VRR für 2011 mit Einnahmeverlusten von bis zu 25 Millionen Euro. Im schlimmsten Fall könnte dies zur Ausdünnung des S-Bahnangebots führen.

Auch von anderer Seite bekommt die Bahn starken Gegenwind: Fernbus-Linien sollen nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit fast ohne Einschränkungen sowohl Bahn, Flugzeug als auch Auto Konkurrenz machen können.

Bund will Fernbuslinien liberalisieren

"Der Fernbuslinienverkehr wird weitgehend liberalisiert", heißt es im Gesetzentwurf des Verkehrsministeriums, der Reuters am Dienstag vorlag. Auf Antrag bei Länderbehörden sollen die Buslinien auf praktisch allen Strecken angeboten werden können.

Weder soll die Zahl der Haltestellen beschränkt noch Strecken in bestimmten Regionen ausgeschrieben werden. So können auch Verbindungen von zwei Konkurrenten parallel befahren werden. Geschützt werden praktisch nur Regionalstrecken, die Bahnen mit öffentlichen Zuschüssen betreiben.

Mittelständische Bus-Unternehmer, Kommunen und auch die Deutsche Bahn hatten sich gegen eine komplette Freigabe des Fernbusverkehrs gewandt. Der Linienverkehr mit Fernbussen wurde zum Schutz der Bahn schon vor dem Zweiten Weltkrieg praktisch untersagt.

Die Automobilindustrie freut sich

Freigegeben wurden wegen der besonderen Lage von Westberlin später nur Linien aus der und in die eingemauerte Stadt. Darüber hinaus sind nur einige Zubringerlinien zu Flughäfen und Bahnhöfen genehmigt. Schwarz-Gelb hatte im Koalitionsvertrag die Freigabe des Busverkehrs in Aussicht gestellt, die Details und das Ausmaß waren jedoch strittig.

Die Branche erhofft sich von der Freigabe großen Schwung im Verkehrsmarkt, da die Linien im allgemeinen deutlich billiger als etwa der Zug angeboten werden können. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte dafür geworben, da man sich einen stärkeren Absatz von Reisebussen erhofft.

© sueddeutsche.de/dpa/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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