Welthandel:"Protektionismus pur"

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Die EU wolle ein starkes Signal für freien Handel an die Welt senden, sagte Handelskommissarin Malmström. (Foto: Virginia Mayo/AP)

EU-Handelskommissarin Malmström greift die USA im Zollstreit an und treibt die Abkommen mit Japan und Singapur voran.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Cecilia Malmström hat inzwischen eine gewisse Übung darin, Botschaften so zu verpacken, dass es zu keinerlei Missverständnissen kommen kann. Schon gar in Washington. Und so sagte die EU-Handelskommissarin am Mittwoch in aller Klarheit: "Wir haben den USA nichts angeboten und wir werden ihnen auch nichts anbieten." Im Streit über drohende US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte lasse sich die EU nicht unter Druck setzen. Bei den US-Zöllen handele es sich um "Protektionismus pur", sagte Malmström. Die Europäische Union erwarte, ohne jegliche Bedingungen unbefristet von ihnen ausgenommen zu werden. Erst wenn dies von US-Präsident Donald Trump bestätigt werde, seien Gespräche über mögliche Handelserleichterungen oder gar ein neues transatlantisches Abkommen möglich.

Die Regierung in Washington erhebt seit März Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium. Die EU-Staaten sind zunächst bis zum 1. Mai davon ausgenommen. Malmström führt derzeit Gespräche mit Vertretern der US-Regierung, um bis Ende des Monats eine Einigung zu erzielen. Die Verhandlungen gestalten sich schwierig, da die Vereinigten Staaten Bedingungen stellen, die Europa erfüllen soll. So wollen die USA, dass die EU künftig weniger Stahl als bisher in die USA exportiert. Außerdem sollen die Europäer schärfere Maßnahmen gegenüber China ergreifen, sprich höhere Zölle auf Stahl erheben.

Und nicht zuletzt pochen die Amerikaner auf die von Trump mehrfach geforderten Zugeständnisse in der Verteidigungspolitik: Bestimmte Nato-Mitglieder unter den EU-Staaten sollen ihre Militärausgaben gemäß der Vereinbarungen deutlich steigern. Die EU will die Themen Verteidigung und Handel jedoch keinesfalls verknüpfen. Trump tut aber genau das. Schon die angekündigten Zölle hatte er mit sicherheitspolitischen Interessen begründet. Die EU ist aber der Meinung, dass es dem US-Präsidenten vor allem darum geht, die heimische Stahl- und Aluminiumindustrie zu schützen.

Weil unklar ist, wie es mit den Verhandlungen weitergeht, will sich die EU alle Möglichkeiten offen halten. Die Europäer haben sich bereits bei der Welthandelsorganisation (WTO) über die US-Zölle beschwert. Diese hätten als Schutzmaßnahme gemeldet werden müssen. Da die USA dies nicht getan haben, setzte die EU ein Streitschlichtungsverfahren in Gang. Ein solches kann mehrere Jahre dauern. Kein Wunder also, dass die EU ihrerseits gewappnet ist, mit Vergeltungszöllen zu reagieren. Die EU-Kommission hat dafür bereits eine Liste mit amerikanischen Produkten erstellt, die mit Zöllen belegt werden könnten. Dazu zählen etwa Motorräder, Whiskey und Erdnussbutter.

Um Trumps America-first-Politik etwas entgegenzusetzen, dringt die EU-Kommission auf eine rasche Ratifizierung ihrer Handelsabkommen mit Japan und Singapur. Die Europäische Union wolle ein starkes Signal für freien Handel an die Welt senden, sagte Malmström. Sie sei optimistisch, dass die Abkommen bis Ende 2019 in Kraft treten könnten. Die EU-Staaten und das Europäische Parlament müssen noch zustimmen. Während der Vertrag mit Japan ein reines Handelsabkommen ist, enthält die Vereinbarung mit Singapur auch Passagen zu gegenseitigen Investitionen und muss deshalb zusätzlich von den nationalen Parlamenten aller EU-Staaten ratifiziert werden. Die Verhandlungen mit Tokio über ein separates Investitionsabkommen laufen noch.

Die Kommission gehe mit diesem Vorgehen auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein, dass bei umfassenden Handelsabkommen mit Investitionsschutz die Parlamente der Mitgliedstaaten beteiligt werden müssen, erklärte Malmström. Durch die Auskopplung der Vereinbarungen zum Investitionsschutz im Japan-Abkommen soll das Verfahren beschleunigt werden, da die nationalen Parlamente kein Mitspracherecht haben. Im Jahr 2016 hatte es kurz vor der Unterzeichnung des Handelsabkommens mit Kanada (Ceta) eine Blockade durch das Parlament der belgischen Region Wallonie gegeben.

Neben Japan und Singapur treibt die EU noch weitere Handelsverträge voran. So laufen mit Mexiko Gespräche über die Modernisierung eines bestehenden Abkommens. Die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay befinden sich in der Endphase. Der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) begrüßte die Vorhaben der Kommission: "Insbesondere Japan ist ein sehr wichtiger Handelspartner der Europäischen Union angesichts der Unsicherheit im globalen Handelssystem, die durch die Irrfahrt des US-Präsidenten verursacht wurden."

EU-Ratspräsident Donald Tusk schloss sich Malmström an und warnte die USA am Mittwoch im Europäischen Parlament: "Wenn es keine dauerhafte Ausnahmeregelung für die EU gibt, werden wir keine andere Wahl haben, als zu reagieren." Um dies zu vermeiden, setze er sich nicht für weniger, sondern mehr Handel zwischen den USA und der EU ein. Tusk hatte bereits im März Verständnis für Trumps Ärger über europäische Zölle, etwa auf US-Autos, geäußert und vorgeschlagen, die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) wieder aufzunehmen. "Treiben Sie Handel, nicht Krieg, Herr Präsident", forderte er Trump auf.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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