Zwischen den Zahlen:Weinchen über den Wolken

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So fern fühlt sich das Jahr 2004 an, als Lufthansa mit diesem Bild für ihr Angebot an Bord warb. Was bis 2020 Normalität war - Weinchen über den Wolken - ist wegen der Pandemie kaum mehr möglich. (Foto: A9999 DB Lufthansa/dpa)

Wenn kaum mehr jemand fliegt, wird auch die Bordverpflegung überflüssig. American Airlines versucht nun, zumindest seinen Wein anderweitig unter die Leute zu bringen.

Von Vivien Timmler

Wenn aufgrund der Corona-Pandemie kaum mehr jemand verreist, hat das für Fluggesellschaften erstmal ein paar ganz offensichtliche Konsequenzen. Flüge müssen gecancelt, Maschinen vorläufig geparkt, Piloten in den Sonderurlaub geschickt werden. Wovon jedoch niemand spricht: Wohin mit all der Bordverpflegung, die für das Jahr 2020 eingeplant war? Was ist passiert mit all den Tomatensäften, Hühnchensandwiches und Mini-Dosen Gin Tonic, die sich in den Großlagern ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern?

Als erste Fluggesellschaft hat nun American Airlines beschlossen, das Problem anzugehen - und damit ganz nebenbei auch noch ein gutes Sümmchen Geld zu verdienen. Nun, nicht mit Hühnchensandwiches. Aber mit Alkohol: Das Unternehmen wirbt seit einigen Tagen für seinen neuen Wein-Lieferdienst. Kunden können sich aus der Weinkarte der Airline ein paar Flaschen aussuchen, nach Hause liefern lassen und dann so genießen, als wären sie gerade über den Wolken, wie auch immer das aussehen mag. Natürlich gibt es das Ganze auch im Abo, nur 99,99 Dollar kostet der Spaß. Im Monat. Meilensammeln ist ebenfalls möglich.

Aber Spaß beiseite, denn das Problem scheint real zu sein: Laut American Airlines ist der Weinkonsum in der Luft seit Beginn der Pandemie um 80 Prozent gefallen. Was daran liegt, dass die Fluggesellschaft den Kontakt zwischen Passagieren und Flugbegleitern auf ein Minimum beschränken will. Eine Weinprobe wäre da maximal unangemessen.

Nun gibt es Schlimmeres, als mitten in der Pandemie auf einem beachtlichen Weinvorrat sitzen zu bleiben. Nicht ganz so entspannt sieht das Ganze jedoch aus, wenn man für das Jahr 2020 gerade einen Nettoverlust von 8,9 Milliarden Dollar bekannt geben musste und jede Einnahmequelle braucht. 40 000 bis 50 000 Dollar will American Airlines nun allein im ersten Quartal mit seinen Wein-Lieferungen einnehmen. Ihren Verlust hat die Fluggesellschaft damit zwar noch nicht ausgeglichen. Aber im Lager warten ja noch diverse andere Produkte darauf, am Boden unter die Leute gebracht zu werden. Bis auf den Tomatensaft - denn der schmeckt ja bekanntlich nur über den Wolken.

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