Wearables:Laufend dazugelernt

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Alle Daten im Blick: Tomtom-Chef Harold Goddijn zeigt 2015 eine Sportuhr seiner Firma. Neuere Modelle haben noch einige Funktionen mehr. (Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Der Navi-Hersteller Tomtom ist in die Welt der Fitness-Tracker eingestiegen - ein neues Standbein gegen das schwächelnde Kerngeschäft.

Von Katharina Kutsche, München

Wer beim Sport mal wieder den inneren Schweinehund überwinden muss, braucht nur ein bisschen Technik, die Spaß macht. Das findet jedenfalls Corinne Vigreux, Mitgründerin und Direktorin von Tomtom. Das Unternehmen aus Amsterdam, eigentlich als Hersteller von Navigationssystemen bekannt, ist seit einigen Jahren auch in der Welt der Fitness-Tracker und Sportuhren unterwegs. Auf der Internationalen Sportmesse (Ispo) in München präsentieren die Niederländer ihre neueste Entwicklung Tomtom Touch Cardio. Der Tracker überwacht die Herzfrequenz seines Nutzers, zählt Schritte und Kalorienverbrauch und verfolgt Schlaf- und Wachzeiten.

Der Wechsel in das Geschäft mit den Wearables sei für Tomtom "völlig natürlich", sagt Vigreux: "Wir haben viel Erfahrung in Technologien, vor allem im Bereich GPS." Und ohne GPS geht es nicht: Mithilfe der Navigationstechnik via Satellit messen bessere Fitness-Tracker und Sportuhren nicht nur, welche Strecke ein Läufer zurücklegt, sondern auch, in welcher Geschwindigkeit und Entfernung er sich bewegt. Genauso arbeiten die Navigationssysteme, die Autofahrern den Weg weisen. "Wir hatten also schon eine Technologie, die wir auch für die Uhren nutzen konnten", sagt Vigreux.

Die erste Fitness-Uhr entwickelte das Tomtom-Team 2009 gemeinsam mit dem Sportartikelhersteller Nike. Seitdem habe man dazugelernt, sagt Vigreux. Die neuen Produkte aus der Tomtom-Touch-Serie seien die ersten auf dem Markt, die Körperanalyse, Schrittzähler sowie Schlaf- und Herzfrequenzmessung kombiniert. Außerdem können Sportler ihre Lieblingsmusik auf die Uhr laden; wer dabei gern kabellos läuft, stellt die Verbindung zum Kopfhörer per Bluetooth her.

Tomtom, gegründet 1991, beschäftigt weltweit rund 4600 Mitarbeiter in 50 Büros und 35 Ländern. Nach einigen fetten Jahren mit Umsätzen von bis zu 1,5 Milliarden Euro musste das Unternehmen zuletzt deutlich geringere Zahlen vermelden. Das liegt unter anderem daran, dass immer mehr Nutzer die Navigationssysteme ihrer Smartphones nutzen, anstatt gesonderte Geräte fürs Auto zu kaufen. Zwar ist Tomtom weiterhin in der Automobilbranche aktiv, lizenziert Karten und Verkehrsinformationen für Autohersteller und Fahrdienste wie Uber. Zuletzt kauften die Niederländer das Berliner Start-up Autonomos, das Software für autonomes Fahren entwickelt. Doch auch wenn Navigation immer noch für einen großen Anteil am Gewinn des Unternehmens sorge, sinken die Umsätze, räumt Vigreux ein. Aktuelle Zahlen möchte sie nicht nennen, die Bilanz werde in der kommenden Woche veröffentlicht.

Mit dem Einstieg in den Markt der Wearables, der tragbaren Computer, ist Tomtom nicht mehr nur von seinem Kerngeschäft abhängig. Läufer, Radfahrer und Wanderer schätzen die kleineren Geräte, schließlich müssten sie für ihre Streckenplanung sonst das Smartphone nutzen. Und die sind in der Regel deutlich schwerer und müssen schneller aufgeladen werden als die leichten Uhren und Tracker.

Vor einigen Jahren geriet das Unternehmen in Verdacht, Daten weiterzugeben

Das sei auch die größte Herausforderung bei der Entwicklung der Produkte: eine starke Akkuleistung. "Daran haben wir lange gearbeitet", sagt Vigreux, außerdem müssen die Wearables so dünn wie möglich sein, schließlich wolle niemand einen hässlichen Klotz am Handgelenk tragen.

Auch wenn die Tracker und Uhren die Motivation beim Sport heben sollen, die eigentliche Zielgruppe der Niederländer sind Menschen, die bereits entschieden haben, an ihrer Fitness zu arbeiten. Und die wenig Zeit haben, sagt Vigreux, Mütter etwa, denen oft nur ein kleines Zeitfenster zum Trainieren bleibt. Der Fitness-Tracker soll die Kunden locken, er biete den Einstieg in die Produktwelt. So lernen die Nutzer, sich für ihre Körperdaten und -leistungen zu interessieren, der Weg zum Kauf einer Sportuhr sei dann nicht mehr weit. Außerdem gelangten die Nutzer so in das Ökosystem von Tomtom, wie es Gründerin Vigreux nennt, zu den Apps wie Strava, Runkeeper und der eigens entwickelten Tomtom Sports App, die seit dieser Woche verfügbar ist. Darin können Sportler ihre Aktivitäten genau verfolgen, etwa ob sie schneller waren als beim letzten Lauf, und sie können ihre Erfolge mit anderen teilen.

Datensicherheit ist dabei ein großes Thema für das Unternehmen, das vor einigen Jahren in Verdacht geriet, Geschwindigkeitsdaten von ihren automobilen Kunden an die niederländische Polizei weiterzugeben, damit diese die Aufstellung ihrer Blitzer besser planen kann. Der Vorwurf stimme nicht, sagt Vigreux: Das sei nur ein Lizenznehmer gewesen, nicht Tomtom selbst. Das fällt schwer zu glauben, schließlich hatte sich damals Harold Goddijn, Tomtom-Geschäftsführer und Vigreux' Ehemann, in einem offenen Brief bei den Kunden entschuldigt und erklärt, die Weitergabe der anonymen Daten sei im Interesse der Verkehrssicherheit geschehen. Das Unternehmen investiere jedenfalls viel Zeit und Geld in die Absicherung der Kundendaten, sagt Vigreux. Diese würden auf keinen Fall weitergegeben, und das Unternehmen sei darauf auch nicht angewiesen: Deswegen kosteten die Produkte schließlich Geld.

Es sei gut gelaufen im vergangenen Jahr, so die Tomtom-Gründerin. Ihr Ziel für 2017 ist es, in Europa die Nummer eins in der Sport-GPS-Kategorie zu werden, in den USA und Asien strebt sie den zweiten oder dritten Platz an. Die größten Konkurrenten auf dem Markt sind das US-Unternehmen Garmin mit Sitz in der Schweiz und Polar aus Finnland. Beide präsentieren ihre Produkte ebenfalls auf der Ispo, in Sichtweite vom Tomtom-Stand.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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