Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, mit dem die Ökostromfirma Prokon die drohende Insolvenz abwenden will: In einem Schreiben hatte das Unternehmen seine Anleger am Wochenende aufgefordert, kein weiteres Kapital abzuziehen - andernfalls drohe das Aus für den Windkraftkonzern. Anlegerschützer haben das Vorgehen von Prokon nun scharf kritisiert. "Auf die betroffenen Anleger wirken die aktuellen Verlautbarungen schlichtweg wie eine klassische Erpressung", sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Bild am Sonntag.
Tüngler forderte Prokon-Chef Carsten Rodbertus auf, "anstelle mit Drohungen zu arbeiten, jetzt vertrauensbildend aufzutreten und endlich für Transparenz bei den Zahlen und dem Geschäftsmodell zu sorgen". Bis heute lägen keine von einem Wirtschaftsprüfer testierten Bilanzen für den Konzern vor.
Prokon wirbt mit der Aussicht auf hohe Renditen für seine Genussrechte. Anleger gewähren der Firma ein unbesichertes Darlehen, erhalten allerdings keine Mitspracherechte wie bei einer Aktiengesellschaft. Auf diese Weise hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 1,4 Milliarden Euro eingesammelt. Mit dem Geld baute Prokon vor allem Windparks und verkaufte den Strom, ein Teil wurde auch in Biodiesel und Biomasse investiert. Bei einer Pleite könnten bis zu 75.000 Anleger ihr Geld verlieren.
Schon Ende Januar sei das Unternehmen zahlungsunfähig, wenn die Inhaber der Genussrechte nicht vorerst auf die Rückzahlung ihres Geldes verzichteten, drohte Prokon. Wer sein Geld sofort wiederhaben möchte, muss sein Kreuz neben folgendem Satz setzen: "Mir ist bewusst, dass ich mit der Entscheidung für eine Planinsolvenz entscheidend zur Vernichtung eines zukunftsfähigen und nicht systemkonformen Unternehmens mit über 1300 Arbeitsplätzen beitrage."
Kritiker hatten schon länger am Geschäftsmodell von Prokon gezweifelt. Die Stiftung Warentest hatte im Dezember vor hohen Verlusten der Firma gewarnt. Im Fall einer Pleite würden die Anleger ihr Geld erst nach den meisten anderen Gläubigern zurückbekommen. Anlegerschützer Tüngler warnte deshalb mit Blick auf die aufgelaufenen Verluste, Prokon-Anleger könnten deutlich weniger Geld zurückbekommen, als sie eingezahlt haben.
Aus Sicht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ist nun zu befürchten, dass viele Anleger ihre Genussrechte kündigen, in der Hoffnung, im Falle einer Insolvenz nicht nachrangig behandelt zu werden. Die SdK warnte aber zugleich vor den Gefahren, die ein solches Vorgehen für die Anleger insgesamt mit sich bringe.
Die DSW kündigte an, es werde ein Informationsservice für Betroffene aufgebaut. "Zudem werden wir den Fall weiter intensiv beobachten und - im Fall des Falles - auch juristisch aktiv werden", sagte Tüngler.