Volkswagen:So soll Volkswagens Neuanfang funktionieren

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Schafft es VW noch mal zu altem Glanz zurück? (Foto: imago/Hoch Zwei Stock/Angerer)
  • Nach dem Abgas-Skandal ist der VW-Konzern zum Umdenken gezwungen. Der Konzern will mehr in Elektroautos und alternative Mobilitätskonzepte investieren.
  • Sparen muss der Konzern ebenfalls. Noch ist unklar, wie das funktionieren soll und ob am Ende Jobs wegfallen.

Von Thomas Fromm, München

Für den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn war die Sache selbstverständlich: Bis 2018 sollte das Unternehmen größter Autohersteller der Welt sein. Größer als Toyota, größer als die Opel-Mutter General Motors. In Zahlen bedeutete das: zehn Millionen Autos im Jahr, fünf Prozent Umsatzrendite. Den Managern - egal ob in Wolfsburg oder draußen in der weiten VW-Welt - war klar, woran sie sich zu halten hatten. Im Februar 2010 schrieb der Konzern: "Kernelemente der 'Strategie 2018' sind unter anderem eine gezielte Ausweitung des Marken- und Produktportfolios sowie eine weitere Stärkung der globalen Präsenz." Übersetzt hieß das: Mehr Marken, mehr Modelle, mehr Autos. Hauptsache mehr!

Möglich, dass es bei dieser Weltsicht geblieben wäre, wenn dem Konzern nicht im September die Diesel-Affäre dazwischengekommen wäre. So aber ist das Jahr 2018 schon Vergangenheit, bevor es überhaupt angefangen hat.

Das Jahr, auf das die Aufsichtsräte des Konzerns bei ihrem Treffen am Dienstag blickten, ist: 2025. Größter Autohersteller der Welt? Muss jetzt nicht sein. Andere Dinge sind inzwischen wichtiger. Denn den Konzernstrategen ist klar geworden, dass es nicht nur darum geht, zehn Millionen Autos im Jahr zu verkaufen. Und in einigen Jahren dann vielleicht 15 Millionen. Absatzplanungen sind in Zeiten, in denen immer weniger junge Leute ein eigenes Auto kaufen wollen und Mobilität lieber teilen, nicht nur schwierig. Sie sind wahrscheinlich sogar sinnlos.

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Es klingt nicht spektakulär, ist aber eine Revolution

Also geht es bei VW nun auch um andere Dinge. Statt nur Weltmeister beim Autoverkaufen möchte man weltweit führender Mobilitätsanbieter werden. Services, digitale Dienstleistungen - auch dafür hat VW vor einigen Tagen 300 Millionen Euro in den israelischen Mitfahrdienst Gett gesteckt. Und: In neun Jahren soll dann jedes zehnte Auto mit Elektro- oder Hybridantrieb ausgestattet sein. Das wären dann, Absatzstand heute, eine Million Elektroautos im Jahr. Mindestens.

Da derzeit alle Autohersteller irgendwelche Apps oder Anteile an Taxi-Firmen kaufen und da sie alle Elektroautos bauen wollen, klingt das erst einmal nicht besonders spektakulär. Im Falle von VW aber ist es doch eine Revolution: Es ist noch gar nicht so lange her, da sagte der damalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, man brauche keine Autos, die brennen. Das war nicht nur ein schwerer Seitenhieb auf Tesla, die kalifornische Elektroautoschmiede. Es war auch eine programmatische Ansage: Sollten die Amerikaner doch mit ihren großen Batterien spielen - hier in Deutschland arbeitete man lieber an konkreten Dingen. An sparsameren Benzinern und modernen Dieselmotoren. Dass Letztere nicht nur modern waren, sondern auch ziemlich betrügerisch, erfuhr die Öffentlichkeit dann erst sehr viel später.

So kommt es, dass der Konzern gerade in einem Spagat der besonderen Art steckt: Einerseits muss man Dieselgate aufarbeiten und endlich eine Lösung mit den amerikanischen Behörden finden, Milliardenklagen aus aller Welt verhandeln und hoffen, in den Spätfolgen des Diesel-Sumpfs nicht unterzugehen. Andererseits werden schon neue Großprojekte wie der Bau einer Batteriefabrik durchgespielt. Nie lagen düstere Vergangenheit und unsichere Zukunft bei VW so eng beieinander wie in diesen Wochen und Monaten.

Der Wandel hat schon begonnen, im Kleinen zumindest. Es fängt damit an, dass Millionenetats umgeschichtet werden. Raus aus dem klassischen IT-Geschäft, rein in digitale Technologien. In Forschungsprojekte zu elektrischen und autonom fahrenden Autos zum Beispiel.

Die ganz großen Veränderungen aber kommen noch. Zwölf Marken, das sind auch zwölf Mal Verwaltung, zwölf Mal Vorstände, zwölf Einheiten mit eigenen Interessen. Über allem herrschte bislang Wolfsburg, die Zentrale. Das will VW-Chef Matthias Müller ändern: Mehr Verantwortung in den Regionen, weniger Zentralismus, mehr Rücksicht auf die Geschmäcker der Kunden vor Ort. Auch das war jahrelang eines der Hauptprobleme von VW: Neue Modelle, etwa für den amerikanischen Markt, wurden so gebaut, wie man das in Niedersachsen für richtig hielt, nicht wie es die US-Kunden wollten. Folge: Die Deutschen kamen auf dem Milliardenmarkt USA auf keinen grünen Zweig.

Die Frage, die sich vor allem die Mitarbeiter stellen: Kann man solche Pläne durchziehen, ohne Stellen zu streichen? 120 000 Jobs gibt es im Haustarif; viele arbeiten im gigantischen Verwaltungsapparat und in der Produktion von Komponenten. Viele jener Produkte, die sich andere Hersteller von Zulieferern ans Band bringen lassen, baut VW immer noch selbst. Es geht um Tausende Jobs.

Am Ende dürfte es nach dem Modell VW laufen

Stellenstreichungen, winken Insider aus dem Konzern ab, seien nicht Teil der neuen Strategie. Dies werde man zu einem späteren Zeitpunkt besprechen - und zwar bei den Markentöchtern. Bei der nur wenig profitablen Hausmarke VW wollen Betriebsrat und Management bis zum Herbst einen so genannten "Zukunftspakt" vereinbaren - sparen, ohne zu entlassen, verhandeln, ohne zu eskalieren.

Am Ende dürfte es nach dem Modell VW laufen: Es wird gespart, überall ein bisschen. Jobabbau ja, Entlassungen nein. Wenn Mitarbeitern Altersteilzeit-Modelle oder Abfindungen angeboten werden, ist die Frage längst beantwortet: Muss man jeden Arbeitsplatz, der frei wird, wieder besetzen? Jobs, soviel ist klar, entstehen derzeit eh kaum am Band, sondern überall da, wo digitalisiert wird.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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