Manager-Wechsel:Der VW-Konzern ist nur schwer regierbar

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Das Volkswagen-Gelände in Wolfsburg: Inzwischen ist der Konzern ein riesiges internationales Geflecht mit unterschiedlichen Kulturen und Interessen. Ihn zentral zu steuern wird dadurch sehr schwierig. (Foto: dpa)

Das Unternehmen ist mit 670 000 Mitarbeitern zwar mächtig. Doch die Größe sorgt auch für viele Interessenkonflikte - und ist deshalb ein Risiko für die Zukunft von Volkswagen.

Kommentar von Thomas Fromm

Um den scheidenden Lkw-Manager Andreas Renschler muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen. Er gehört seit vielen Jahren zu den Topverdienern der Branche, und sein Arbeitgeber hat ihm Millionen für den Ruhestand zurückgelegt. Es gibt also schlimmere Schicksale in diesen Zeiten als das des amtierenden Chefs der VW-Lkw-Holding Traton.

Sorgen machen könnte man sich allerdings um seinen Noch-Arbeitgeber Volkswagen. Der Autokonzern hatte Renschler vor fünf Jahren von Daimler geholt, um die hoffnungslos verfeindeten Lkw-Töchter MAN und Scania unter einem gemeinsamen VW-Dach zusammenzubringen. Ein technologisch, betriebswirtschaftlich, aber auch kulturell und politisch durchaus sehr anspruchsvolles Projekt, an dem schon andere vor Renschler krachend gescheitert waren. Die Münchner und die Schweden lassen sich nicht so einfach projektweise zusammenlegen, dafür sind beide zu stolz, zu traditionell, zu eigenständig.

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Renschler hatte Traton vor gut einem Jahr an die Börse geführt. Mit ihm gehen zwei weitere Manager.

Noch dazu gibt es in diesem VW-Konstrukt einen nur schwer aufzulösenden Widerspruch: Unternehmenstöchter sollen eigenständig sein, sich eingeständig fühlen und ihre Marke in der Öffentlichkeit pflegen - und sich dennoch einer großen Linie unterordnen und gegebenenfalls Macht abgeben. Renschler hatte sich an dieses Prinzip gehalten, das sich auf dem Strategiepapier vielleicht ganz gut liest. Praktisch aber ist das oft kaum machbar.

Der Fall Traton zeigt jetzt, wieder einmal: Der Multi-Marken-Konzern Volkswagen ist zwar mächtig und gigantisch groß. Aber wenn man tief in die Verästelungen seiner Peripherie schaut, sieht man die vielen Interessengruppen und Interessenkonflikte. Und man sieht, dass das alles nur schwer regierbar ist. Auch Renschler, der Mann, der von Daimler zu VW kam, hat es am Ende nicht geschafft. Wenn nun einer wie er innerhalb von einer Woche vom Hof gehen soll, zeigt das, dass es schnell gehen muss.

Und wo es so schnell gehen muss, muss die Lage dramatisch sein. Der langjährige VW-Aufsichtsratschef, Patriarch und Miteigentümer Ferdinand Piëch dachte in großen Bildern, als er seinerzeit für sehr viel Geld die 40 Tonner von MAN und Scania mit in sein Konzernreich holte. Autos, Motorräder, Lkw und Busse: Hauptsache es fuhr, qualmte und man konnte es überall auf der Welt verkaufen. Je mehr Marken unter einem Dach, desto besser - das war die alte, einfache Denke des inzwischen verstorbenen Piëch. So simpel ist die Welt natürlich nicht, und was er, der alte Autofreak, damals nicht bedachte: VW ist mit seinen Automarken wie Audi, Porsche und Skoda meilenweit von den großen Nutzfahrzeugen entfernt. Kulturell, aber auch technologisch. Wenn sich aber in einem Konzern wie VW irgendwo eine große Baustelle auftut, kann das schnell zu einem Risiko für den Rest werden.

VW hat nun neue Manager, aber keine neue Strategie

Herbert Diess, der Chef des zuletzt größten Autobauers der Welt, hatte in der Vergangenheit viel Ärger. Angefangen mit dem Dieselbetrug, dann die Probleme bei den wichtigen Modellen Golf 8 und ID.3, jetzt schließlich der massive Konjunktureinbruch wegen Corona. Das alles sind für sich schon ziemlich dicke Brocken für einen Automanager, der ein Unternehmen wie VW mit an die 670 000 Mitarbeitern führen muss. Die Probleme mit zwei ungleichen Lkw-Töchtern fehlten da gerade noch.

Der VW-Chef macht nun das, was man bei VW gerne dann macht, wenn die Lage verfahren scheint: Er setzt zu einer kräftigen Personalrochade an. Manager werden ausgetauscht, einige wandern auf neue Posten ab, andere, wie Renschler, sind innerhalb weniger Tage ganz weg. Die eigentliche Frage aber ist damit nicht beantwortet: Wie bekommt man es hin, dass die Manager von zwei sehr ungleichen Lkw-Bauern unter einem Dach kooperieren, sich aber dennoch gut damit fühlen? Von denen der eine, MAN, gerade noch dazu vor einem gewaltigen Sparprogramm steht?

Die Wahrheit ist: VW hat neue Manager für seine Lkw-Holding und für MAN, aber keine neue Strategie. Oder, anders gesagt: Das Personal ist jetzt zwar abgeräumt. Aber die Probleme bleiben.

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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