Volkswagen:Ein wenig Demut, aber nicht zu viel

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VW-Chef Müller entschuldigt sich beim US-Präsidenten und verspricht Besserung. Doch Millionen-Boni und eine Dividende gibt es - trotz Kritik.

Von Thomas Fromm und Angelika Slavik, Wolfsburg

Das Kundencenter in der Wolfsburger Autostadt ist eigentlich der perfekte Ort für so eine Jahrespressekonferenz. Vorstandsetage und Verwaltung gleich nebenan, dazu die Fabriken mit ihren Arbeitern, und Kunden, die Autos abholen. An kaum einem anderen Ort in dieser großen VW-Welt kommen sich der Konzern und Menschen so nahe wie hier.

In normalen Zeiten. Nur sind dies keine normalen Zeiten.

Es ist 9.45 Uhr, als sich in der Eingangshalle des Kundencenters acht Männer und eine Frau vor den Fotografen aufbauen. Lächeln für die Kameras, mitten in der größten Krise, die dieser Konzern erlebt hat.

Eigentlich ist ja alles zum Heulen. Der Konzern hat bei Dieselmotoren betrogen, Milliardenstrafen drohen, den Konzern zu zerlegen, schon für 2015 hat man deshalb einen Milliardenverlust eingefahren. Es wird an allen Ecken und Enden gespart, Jobs werden gestrichen und Mitarbeiter-Prämien gekappt. Das Image hat gelitten, rund um den Globus, das ist auch ein wirtschaftliches Risiko. Vor einigen Tagen war US-Präsident Barack Obama zu Besuch bei der Hannover-Messe. Matthias Müller, der VW-Chef, war auch da. Freundlich soll es zugegangen sein, heißt es aus Berlin, und Obama habe sich zuversichtlich gezeigt, dass es zu einer Lösung kommen werde. Man habe zwei Minuten gehabt, sagt Müller am Donnerstag, und er habe sich persönlich für "diesen Sachverhalt" entschuldigt und die Hoffnung ausgedrückt, "meine Verantwortung für die 600 000 Mitarbeiter und ihre Familien" auch weiter wahrnehmen zu können. "Ich habe darum gebeten, dass Amerika uns eine Brücke baut", berichtet Müller.

Dieser "Sachverhalt", das ist die Abgasaffäre, und die Brücke, das dürfte dann die Brücke sein, die über den Abgrund führt, in den VW zu stürzen droht. Denn die Lage ist düster: Mehr als 16 Milliarden Euro hat das Unternehmen jetzt für die Kosten der Dieselaffäre zurückgestellt, allein 2015. Ob das reicht, weiß niemand. "Klar ist, dass wir auch 2016 sehr genau auf unsere Kosten achten müssen", sagt Müller.

Das ist die Situation: VW muss sparen, aber die Vorstände, die vor den Kameras posieren, haben immer noch Millionen verdient, nur ein Teil ihrer Boni ist vorläufig auf Eis gelegt. Die Gesamtbezüge der Vorstände lagen im vergangenen Jahr bei 63,2 Millionen Euro. Von den Boni wurden insgesamt 5,6 Millionen Euro zurückgelegt. Vorerst, weil sie der Konzern zunächst einbehält. Entwickelt sich der Aktienkurs gut, werden aber Teile der variablen Vergütung 2019 doch noch ausgezahlt. Der Laden steht auf dem Kopf, aber es gibt trotzdem Millionen. Da fällt das Lächeln vor der Kamera natürlich leichter. Zum Beispiel Vorstandschef Müller: Sein Fixgehalt lag laut Vergütungsbericht im vergangenen Jahr bei 1,1 Millionen Euro; mit der erfolgsabhängigen Vergütung kam er auf Gesamtbezüge von 3,8 Millionen Euro. Wenn der Aktienkurs stimmt, können 2019 noch einmal 1,2 Millionen Euro zusätzlich ausgezahlt werden.

Es hätte schlimmer kommen können für die Chefs. Man kann es aber auch so formulieren wie der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der noch kurz vor der Pressekonferenz im Deutschlandfunk sagte: Dass sich der Vorstand gegen üppigere Boni-Streichungen gestemmt habe, könne man "in der Gesellschaft nicht erklären".

Müller will das heute auch nicht erklären, nur soviel: Er verstehe zwar die öffentliche Diskussion. Was er aber nicht verstehe, ist, "dass die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen wurde". Am vergangenen Freitag soll es im Aufsichtsrat heftig gescheppert haben, als es um die Höhe der Dividende ging.

Große Bühne: VW-Chef Matthias Müller präsentierte in Wolfsburg einen Rekordverlust für das abgelaufene Geschäftsjahr. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Die Familien Porsche und Piëch und das Emirat Katar als Großaktionäre wollten eine komplette Streichung der VW-Dividende, die Arbeitnehmer und das Land Niedersachsen setzten sich erfolgreich für eine Mini-Dividende ein. Um Geld ging es da aber nur am Rande: Denn wird zwei Jahre lang hintereinander keine Dividende gezahlt, bekommen Vorzugsaktionäre ein Stimmrecht. In diesem Fall könnte der VW-Anteil von Niedersachsen de facto unter die entscheidenden 20 Prozent fallen; das Land verlöre damit seine Machtposition in Wolfsburg. Ist es das Ziel, Niedersachsen bei VW zu entmachten? Einige sagen Ja. Müller dagegen meint, es gebe keine Kluft zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Doch könnte dies der Beginn eines Machtkampfes sein in diesem Konzern, in dem alle Seiten lange fest zusammenhielten.

Natürlich weiß VW-Chef Müller, dass viele Mitarbeiter Angst haben. Er weiß, dass sich der eine oder andere fragt: Wie kann es sein, dass die da oben immer noch Millionen verdienen? Deshalb lobt er seine Mitarbeiter. "Mein persönliches Highlight hat nichts mit Zahlen zu tun, sondern mit den Menschen hier." Er kündigt auch Neuerungen an: Ein Beirat solle fortan für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen sorgen. VW soll künftig auf Elektromobilität und Digitalisierung setzen. Sogar der Verkauf von Unternehmensteilen oder Marken könnte laut Insidern nicht mehr ausgeschlossen werden, Audi, Porsche oder die Lkw-Holding könnten an die Börse gehen. Außerdem bekommen die Baureihen mehr Verantwortung. Das sei ein Paradigmenwechsel, so Müller, früher habe auch kleinere Entscheidungen der Chef getroffen. Früher, da war der Vorstandsvorsitzende Winterkorn. Er bekam für 2015 immer noch 7,3 Millionen Euro. Trotz dieses "Sachverhalts" mit dem Diesel.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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