Verschlüsselung bei Whatsapp:Freund oder Feind

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Verschlüsselung von Kurznachrichten, wie künftig bei Whatsapp, schützt vor Geheimdiensten. Aber nicht vor den Datensammlern im Silicon Valley. (Foto: Bloomberg)

Bislang machte Whatsapp eher mit Sicherheitslücken von sich reden. Nun schirmt der Dienst die Nachrichten seiner Nutzer vor dem Zugriff der Geheimdienste ab. Das ist gut, aber nicht gut genug. Denn der Vorstoß lenkt von einer wichtigen Frage ab.

Kommentar von Varinia Bernau

Nun also auch Whatsapp. Einer der populärsten Messaging-Dienste, über den inzwischen weltweit 600 Millionen Menschen ihre Nachrichten schicken - und ein Anbieter, der bislang vor allem durch Sicherheitslücken aufgefallen war. Auch er verschlüsselt nun die Nachrichten und schützt sie vor dem Zugriff neugieriger Geheimdienste und krimineller Hacker. Wenn sich auf einmal sogar Whatsapp für den Datenschutz starkmacht und Verschlüsselungstechnik, die lange nur was für Technikfreaks war, zum Standard für jedermann macht, dann wird also doch noch alles gut?

Von wegen! Was in vielen Blogs bereits als großer Schlag gegen die Schlapphüte vom amerikanischen Geheimdienst gefeiert wird, birgt auch eine große Gefahr. Beim Einzelnen stellt sich so nämlich das Gefühl ein, da sorge schon jemand dafür, dass die intimsten Details aus seinem Leben gut geschützt sind. Muss sich der Verbraucher also keine Gedanken mehr machen über die lästige Frage, welche Daten denn da eigentlich gesammelt werden - und was damit geschieht?

Unbestritten ist die von Whatsapp eingeführte Verschlüsselung ein richtiger Schritt: Eine Nachricht kann nun nur noch vom Sender und Empfänger gelesen werden. Selbst wenn das Unternehmen von Behörden zur Herausgabe gezwungen wird, kann es nur eine kryptische Ansammlung von Zeichen übergeben. Auch Apple und Google haben für einige ihrer Dienste einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Aber niemand sollte deshalb dem Irrglauben erliegen, es gehe den Konzernen nur darum, die Privatsphäre ihrer Kunden zu schützen. Whatsapp geht es wie jedem Unternehmen zunächst einmal darum, ein gutes Geschäft zu machen.

Dieses Geschäft basiert auf Vertrauen. Und eben das ist nach den Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden erschüttert. Er hat der Welt gezeigt, wie hemmungslos sich Geheimdienste im Datenschatz der Technologiekonzerne bedienen. Auch wenn noch immer unklar ist, inwieweit diese sich dabei als willige Helfer erwiesen haben: Zuletzt legten sie sich ordentlich ins Zeug, den Zugriff von Ermittlungsbehörden zu erschweren. Ihre stärkste Waffe ist dabei die Technik. Je besser sie Daten verschlüsseln, desto schwerer machen sie es all jenen, die darauf zugreifen wollen. Und deshalb ist Verschlüsselung auch eines der wirkungsvollsten Mittel, um das Vertrauen der Kunden zu stärken.

Die Gefahr lauert auch im Silicon Valley selbst

Das Geschäft von Whatsapp und dem Internetkonzern Facebook, zu dem der Dienst inzwischen gehört, basiert aber eben auch auf dem Sammeln von Daten. Für den Versand von Nachrichten nimmt Whatsapp kein Geld. Stattdessen sichert sich das Unternehmen in dem Moment, in dem man die App installiert, den Zugriff auf Telefonbuch und Kalender, verfolgt, wo man sich gerade aufhält und mit wem man wann telefoniert. So lernt Whatsapp seine Kundschaft ziemlich gut kennen - und kann dieses Wissen irgendwann nutzen, um passgenaue Werbung zu platzieren. Übrigens werden all diese quasi nebenbei erfassten Daten vorerst nicht verschlüsselt.

Deshalb dürfen sich Datenschützer mit der neuen Charmeoffensive von Whatsapp nicht zufriedengeben. Wer Verschlüsselung zur Allzweckwaffe gegen kriminelle Hacker und übergriffige Geheimdienste erklärt, vergisst, dass auch anderswo noch eine Gefahr lauert: im Silicon Valley selbst. Denn nach wie vor werden dort eine Menge äußerst sensibler Daten gehortet. Davon aber kann Whatsapp ganz gut ablenken, wenn das Unternehmen die Geheimdienste zum alleinigen Feind erklärt und sich selbst als Beschützer geriert. Wer sich nun also damit begnügt, den Vorstoß von Whatsapp zu bejubeln, vergibt die Chance auf eine ehrliche Debatte um diese zentrale Frage: Wem gehören all diese Daten - dem Verbraucher, der sie in seinem Alltag erst schafft, oder dem Unternehmen, das diese über seine Technologie erfasst?

An dieser Diskussion aber haben die Internetkonzerne kein Interesse. Sie fürchten, dass sie in dem Moment, in dem sie dem Verbraucher die Hoheit über seine Daten geben, selbst Chancen vertun, diese Daten irgendwann einmal zu Geld zu machen. Und so sammelt Whatsapp weiter - auch viele Informationen, die allein zur Abwicklung eines Messaging-Dienstes nicht nötig sind. Erst mal einlagern und dann sehen, wozu das Zeug noch taugt. Für welche neuen Dienste, aber eben auch: für welche neuen Geschäfte. Höchste Zeit also, sich die Frage zu stellen, ob die Daten in der Hand eines börsennotierten Konzerns, der diese zu Geld macht und auch weiterhin machen wird, wirklich so viel besser aufgehoben sind als bei ein paar Schlapphüten.

© SZ vom 20.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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