Vermögensbericht:Bundesbank: Die Armen werden immer ärmer

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Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland geht weiter auseinander. (Foto: dpa/imago Stock&People)
  • Die Bundesbank kommt in ihrem Vermögensbericht zum Schluss, dass in Deutschland die Vermögen sehr ungleich verteilt sind.
  • Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen demnach etwa 60 Prozent des gesamten Vermögens.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Für die Bundesbank sind die Privatvermögen in Deutschland ungleich verteilt. Ein Indiz dafür sei der Vermögensanteil, der den reichsten zehn Prozent der deutschen Bevölkerung gehört. "Diese Gruppe von Haushalten nennt etwa 60 Prozent des gesamten Nettovermögens ihr Eigen" - zu diesem Schluss kommt die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht.

Damit erhält die aktuelle Debatte um wachsende Ungleichheit in der Bevölkerung neue Nahrung. Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher, hatte zuletzt beschrieben, dass Privatvermögen in keinem anderen Land Europas so ungleich verteilt seien wie in Deutschland. Ein Grund: Geringverdiener mussten seit 1990 deutliche Lohneinbußen hinnehmen.

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Die OECD und der Internationale Währungsfonds (IWF) gehen davon aus, dass diese Ungleichheit sogar das Wirtschaftswachstum schwäche. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln widersprach dieser These jedoch am Montag: Die Ungleichheit in Deutschland habe einzig von 2000 bis 2005 merklich zugenommen, als auch die Wirtschaft schwächelte. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich deutete zuletzt an, dass die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken die Ungleichheit noch vergrößern könnte, weil nur die Reichen das nötige Geld hätten, um in Aktien und Immobilien zu investieren.

Die Armen haben noch weniger

In der Tat stellt nun auch die Bundesbank fest, dass sich der Anstieg der Immobilienpreise und Aktienkurse zwischen 2010 und 2014 "nicht sonderlich stark auf die Verteilung der Vermögen in Deutschland ausgewirkt" habe. Für den aktuellen Vermögensbericht der Bundesbank schätzten rund 4500 Haushalte, welchen Wert etwa ihre Immobilien, Autos, Schmuck, Aktien, Fondsanteile oder Rentenversicherungen haben. Die Umfrage bezog sich auch auf die Verschuldung der Haushalte. So konnte das Nettovermögen unter Abzug der Verbindlichkeiten ermittelt werden.

Die Grenze zwischen den reichsten zehn Prozent und dem Rest der deutschen Bevölkerung verläuft laut Bundesbank bei 468 000 Euro (Stand 2014). Das durchschnittliche Nettovermögen der deutschen Haushalte beträgt 214 500 Euro. Das entspricht einem Plus von zehn Prozent gegenüber 2010. Hier wird der Gesamtvermögensbestand in Deutschland durch die Anzahl der Haushalte dividiert.

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Die Ungleichheit wird sehr viel deutlicher, wenn man sich den sogenannten Median anschaut. Der beträgt 60 400 Euro. Der Median ist sozusagen der Haushalt in der Mitte - jenseits dieses Werts gibt es rechnerisch genau so viele reiche wie ärmere Haushalte in Deutschland.

Zwar ist der Median in Deutschland verglichen mit 2010 um 18 Prozent gestiegen. Doch zeigt etwa der Vergleich mit Italien, dass Deutschland hinterher ist. Dort liegt der Median für Nettovermögen bei 138 000 Euro (Stand 2014). Im Vergleich mit den anderen Euro-Staaten, so die Bundesbank, sei der Abstand des Median zur Vermögensspitze in Deutschland deutlich höher. "Die Haushalte, die 2014 zu den 40 Prozent ärmeren Haushalten gehörten, verfügen über ein geringeres Nettovermögen als die Haushalte, die 2010 in diesem Teil der Netto-Vermögensverteilung zu finden waren", heißt es etwas spröde im Bundesbankbericht. Vulgo: Die Armen haben noch weniger. Eine wichtige Ursache ist sicher, dass sich der Immobilienbesitz vor allem bei den vermögenderen Haushalten konzentriert. "Der Anstieg der Immobilienpreise kommt also vor allem auch den Haushalten im oberen Bereich der Vermögensverteilung zugute."

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Laut Vermögensbericht der Bundesbank besitzen die reichsten zehn Prozent der Deutschen 60 Prozent des Gesamtvermögens. Soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft sich jedes Jahr ein Stück mehr. Eine Ursache dafür sind die gestiegenen Lohnabgaben bei Geringverdienern.

Auch der Gini-Koeffizient für das Nettovermögen, ein klassisches Maß für Ungleichheit, sei 2014 in Deutschland mit 76 Prozent im internationalen Vergleich nach wie vor hoch. Je näher der Wert an 100 Prozent liegt, desto ungleicher ist die Verteilung der Vermögen. Der Gini-Koeffizient des Nettovermögens in Italien lag 2014 bei 61 Prozent. Im Euro-Raum waren es 69 Prozent, wobei dieser Wert von 2010 stammt. Neuere Berechnungen gibt es noch nicht. In den USA lag der Gini-Koeffizient 2013 bei 80 Prozent.

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