Verkehrsminister Ramsauer:Fair Play bei der Bahn

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Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer über Wettbewerb, Engpässe auf der Schiene - und warum er selbst so gerne mit der Deutschen Bahn fährt.

Daniela Kuhr

Wenn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer mit der Bahn fährt, kontrolliert er schon mal persönlich, ob die Wagen wirklich sauber sind. "Pünktlichkeit, Schnelligkeit, Sauberkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit, all das muss eine Selbstverständlichkeit sein", sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung . "Da hat die Bahn umgehend aufzuholen, was sie in den vergangenen Jahren versäumt hat."

SZ: Herr Ramsauer, in nicht mal einem Jahr hat die Bahn einen neuen Vorstand bekommen, einen neuen Eigentümer in Form der schwarz-gelben Regierung, und bald bekommt sie auch noch einen neuen Aufsichtsrat. Wird jetzt alles besser bei dem Staatskonzern?

Peter Ramsauer: Wenn wir uns bei dieser Konstellation nicht in den Kopf setzen würden, dass vieles besser wird, dann hätten wir von vornherein versagt.

SZ: Was genau soll sich ändern?

Ramsauer: In den vergangenen Jahren ist viel schiefgelaufen. Um die Zahlen börsenfein zu machen, hat die Bahn in Bezug auf Kundenorientierung und Sicherheit nur noch so viel gemacht, wie unbedingt nötig war. Als Quasimonopolist konnte sie sich das leisten. Wo hätten die Kunden denn hinwandern sollen? Dieses Denken muss aufhören. Die Bahn braucht einen personellen und strategischen Neuanfang. Deshalb war es mir wichtig, dass es nicht nur im Vorstand, sondern auch im Aufsichtsrat einen Wechsel gibt.

SZ: Sie halten also nicht mehr an dem Ziel fest, dass die Bahn möglichst rentabel arbeiten muss?

Ramsauer: Doch, unbedingt. Schon allein, weil das so im Grundgesetz steht. Niemand kann sich ernsthaft eine reine Staatsbahn zurückwünschen, die für jeden neuen Zug auf öffentliche Zuschüsse angewiesen ist. Das waren vermuffte, unhaltbare Zustände. Außerdem haben wir ja nach wie vor einen Börsengang im Blick, auch wenn derzeit nicht absehbar ist, ob er in drei, sechs oder fünf Jahren stattfindet. An der Börse aber hat die Bahn nur als wirtschaftlich geführter, international tätiger Transport- und Logistikkonzern eine Chance.

SZ: Hat sich die internationale Strategie denn bewährt? Der deutsche Steuerzahler stellt verwundert fest, wo die Bahn überall ihre Dienste anbietet: in Großbritannien, Schweden, vielleicht bald sogar in Katar. Hierzulande aber klappt nicht mal der Fernverkehr.

Ramsauer: Pünktlichkeit, Schnelligkeit, Sauberkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit, all das muss hierzulande eine Selbstverständlichkeit sein. Da hat die Bahn umgehend aufzuholen, was sie in den vergangenen Jahren versäumt hat. Es wäre aber ein Fehler, wenn sie sich künftig nur auf den deutschen Heimatmarkt beschränken würde.

SZ: Warum?

Ramsauer: Noch hat die Bahn hierzulande einen Marktanteil von 85 Prozent im Personenverkehr und rund 80 Prozent im Güterverkehr. Es drängen aber zunehmend Anbieter aus dem Ausland auf unsere Schienen. Wenn die Bahn sich international nicht ein paar weitere Standbeine sichert, wird langfristig ihre Existenz gefährdet sein. Es ist daher auch im Interesse der deutschen Steuerzahler, wenn der Konzern im Ausland tätig ist.

SZ: Wenn es mehr Konkurrenten gäbe, hätte die Bahn auch mehr Druck, ihr Angebot zu verbessern.

Ramsauer: Das Problem ist: Wir haben nur ein Netz. Wir können also nicht - wie im Bereich der mobilen Telekommunikation - Parallelnetze aufbauen. Deshalb ist Wettbewerb in der netzgebundenen Eisenbahnindustrie immer nur begrenzt denkbar. Innerhalb dieser Grenzen aber müssen wir den Wettbewerb bestmöglich fördern.

SZ: Konkurrenten fühlen sich derzeit schon allein deshalb abgeschreckt, weil die Bahn als Inhaberin des Schienennetzes über die Trassenvergabe entscheidet. Wäre das Netz in der Hand des Bundes nicht besser aufgehoben?

Ramsauer: Die Bahnreform hat dafür gesorgt, dass auch andere Eisenbahnunternehmen das Netz der DB AG nutzen dürfen. Inzwischen machen davon mehr als 300 Konkurrenten der Bahn Gebrauch. Die Bundesnetzagentur hat die Aufgabe, für einen fairen und diskrimierungsfreien Zugang zum Schienennetz zu sorgen.

SZ: Was "fair und diskriminierungsfrei" ist, da sind Bahn und Netzagentur oft unterschiedlicher Meinung.

Ramsauer: Es führt kein Weg daran vorbei: Wir brauchen mehr Wettbewerb, und deshalb muss die Bahn ihre Konkurrenten fair behandeln. Die neue Konzernspitze hat das auch erkannt. Schon aus eigenem Interesse.

SZ: Inwiefern aus eigenem Interesse?

Ramsauer: Andernfalls müssten wir tatsächlich über eine stärkere Trennung vom Netz nachdenken. Einen kleinen Schritt in diese Richtung machen wir ja bereits. Wir prüfen gerade, ob die Bahn in Zukunft die Gewinne aus dem Netz nicht mehr vereinnahmen darf, sondern in die Infrastruktur reinvestieren muss.

SZ: Dann wäre auch mehr Geld für den Schienenausbau da. Sie sind angetreten mit dem Versprechen, den prognostizierten Zuwachs im Güterverkehr größtmöglich auf die Schiene zu bringen. Wie wollen Sie das machen? Es wird ja jetzt schon eng im Netz. Und für Neu- oder Ausbauten fehlt Ihnen das Geld.

Ramsauer: Das stimmt nicht, es ist Geld vorhanden. Nur nicht für alles auf einmal. Wir müssen Prioritäten setzen, daran arbeitet mein Haus gerade.

SZ: Im Bundesverkehrswegeplan stehen 46 dringliche Projekte, die auf absehbare Zeit nicht finanzierbar sind. Sie sagten, Sie bräuchten jährlich eineinhalb Milliarden Euro zusätzlich, um sie zu realisieren. Ist das nicht utopisch bei der derzeitigen Haushaltslage?

Ramsauer: Von zusätzlichen eineinhalb Milliarden Euro war nie die Rede. Richtig ist: Ich habe für den Haushalt 2011 mehr Geld gefordert.

SZ: Wie viel?

Ramsauer: So viel, wie ich brauche, um die an mich gerichteten Forderungen annähernd bewältigen zu können. Ich möchte allerdings keine Zahlen nennen, um die Verhandlungen nicht zu belasten. Aber eines will ich doch klarstellen: Es ist dasselbe Parlament, das den Haushalt genehmigt und das gleichzeitig Erwartungen an mich stellt. Aus dieser Erwartungshaltung heraus leite ich mit Anstand und Bescheidenheit meine Zusatzforderung nach mehr Geld ab.

SZ: Kritiker werfen Ihnen vor, Sie hätten kein Ziel, kein Konzept, wie die Verkehrsströme in Zukunft fließen sollen.

Ramsauer: Ich habe sogar sehr konkrete Vorstellungen davon, wie der Verkehr in Zukunft fließen soll. Ich bleibe dabei: So viel Güterverkehr wie möglich muss auf die Schiene. Und deshalb stehen Projekte wie der Ausbau der Rheintaltrasse, der Y-Trasse im Norden und die Anbindung von Rotterdam ganz oben auf meiner Liste.

SZ: Wann sind Sie persönlich zum letzten Mal Bahn gefahren?

Ramsauer: Ich fahre immer wieder mal. Vor kurzem war es die S-Bahn in München, an diesem Freitag nehme ich den ICE von München nach Augsburg. Zweite Klasse. Ist schon reserviert.

SZ: Zweite Klasse, wieso das?

Ramsauer: Weil ich wissen will, wie es so zugeht im Zug, wie es aussieht, ob alles verständlich ausgewiesen ist, ob die Bahnsteige barrierefrei sind, ob die Wagen sauber sind.

SZ: Und was ist, wenn es etwas zu bemängeln gibt?

Ramsauer: Dann rufe ich Bahn-Chef Rüdiger Grube an und teile ihm das mit. Der ist ja selbst ganz scharf drauf, solche Informationen zu bekommen.

SZ: Hört sich an, als seien Sie ein ziemlich anstrengender Eigentümer. Übernimmt da schleichend der Staat wieder das Ruder bei der Bahn?

Ramsauer: Überhaupt nicht. Das operative Tagesgeschäft ist allein Sache des Vorstands. Aber ich finde, der Eigentümer sollte zumindest zeigen, dass ihn die Belange des Unternehmens interessieren, dass er sich kümmert. Deshalb werde ich am 24. März auch persönlich zur Hauptversammlung fahren.

SZ: Wie muss man sich das vorstellen? Die Bahn ist zu 100 Prozent in Staatshand. Sitzen Sie da allein mit dem Aufsichtsrat?

Ramsauer: Fast. Ein Notar ist auch noch dabei, der das Ganze protokolliert. Anschließend werde ich den neuen Aufsichtsrat dann der Bahnführungsriege persönlich vorstellen.

SZ: Warum schicken Sie nicht einfach - wie Ihre Vorgänger - einen Mitarbeiter des Ministeriums?

Ramsauer: Weil ich als Vertreter der Eigentümerseite Verantwortung trage, und die möchte ich wahrnehmen. Sieben Millionen Menschen fahren täglich Bahn. Das heißt, in zwölf Tagen transportiert die Bahn einmal die ganze deutsche Bevölkerung. Die Bahn ist für mich kein x-beliebiges Unternehmen, sondern hat eine hohe patriotische Komponente.

© SZ vom 12.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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