Verkehr:Verkehrsverwaltung lässt bestimmte Radfahrprojekte ruhen

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Radfahrer fahren auf einem Radweg. (Foto: Friso Gentsch/dpa/Symbolbild)

Sind Autoparkplätze wichtiger als der Radverkehr? Das Aussetzen bestimmter Radfahrprojekte durch die Verkehrsverwaltung löst viel Unverständnis aus. Fahrradverbände kündigen Protest an.

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Berlin (dpa/bb) - Die Berliner Verkehrsverwaltung will bestimmte Radverkehrsprojekte vorerst ruhen lassen. Die Behörde teilte am Freitag mit, dass Projekte nicht weiter geplant werden sollen, die den „Wegfall von Fahrstreifen, Bussonderfahrstreifen oder sonstigen Einschränkungen des ÖPNV“ zur Folge hätten, mehrere Autostellplätze gefährdeten oder eine „erhebliche Beeinträchtigung von Wirtschafts- und Lieferverkehr“ zur Folge hätten.

Zuvor hatten mehrere Medien über ein Schreiben an die Berliner Bezirke berichtet. Darin soll die Behörde darum gebeten haben, bestimmte Projekte vorübergehend auszusetzen, wie der „Tagesspiegel“ berichtete. Bereits am Mittwoch hatte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) in einem Interview der „Berliner Zeitung“ angekündigt, bestimmte Vorhaben auf den Prüfstand zu stellen.

Abgeordnete der Opposition zeigten sich am Freitag entsetzt über den Vorstoß der Verkehrssenatorin. Die Linken-Landesvorsitzenden, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, nannten den Vorstoß einen „Schlag ins Gesicht“ für die über 100.000 Menschen, die 2016 den Volksentscheid Fahrrad unterschrieben hätten. „Während viele europäische Metropolen die Verkehrswende und eine gerechte Verteilung des öffentlichen Raumes mit Tempo vorantreiben, geht es mit der schwarz-roten Rückschrittskoalition zurück in die Vergangenheit.“

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Werner Graf, nannte die Berliner Landesregierung aus CDU und SPD ebenfalls eine „Rückschrittskoalition“, die ideologisch zur Verkehrspolitik des letzten Jahrhunderts zurück wolle. Die Ankündigung der Verkehrssenatorin bremse faktisch die gesamte Radwegeplanung in Berlin aus.

Der Koalitionspartner SPD betonte, geplante Vorhaben müssten schnell umgesetzt werden. „Ich verweise auf den Koalitionsvertrag und erwarte dass die zuständige Senatsverwaltuing diesen auch eins zu eins umsetzt“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Tino Schopf der RBB-Abendschau.

Aus Protest gegen die Maßnahmen beteiligten sich am Freitagabend laut Polizei rund 300 Menschen an einer Demonstration des Vereins Changing Cities, des Berliner Landesverbandes des Fahrradclubs (ADFC) und Respect Cyclists Berlin vor der Senatsverkehrsverwaltung. Viele von ihnen hatten Schilder oder Transparente dabei. Darauf stand etwa: „Hände weg vom Mobilitätsgesetz“, „Sichere Radwege jetzt!“ oder „Platz für's Fahrrad“. „Ein einziger Parkplatz ist mehr wert, als tausende Radfahrende und deren Sicherheit. Nicht mit uns!“, twitterte der ADFC Berlin.

In der Mitteilung der Verkehrsverwaltung begründete Schreiner den Schritt folgendermaßen: „Ziel der Priorisierung der Maßnahmen der Radfahrinfrastruktur ist ein insgesamt funktionierender Verkehrsmix für alle Berlinerinnen und Berliner und damit auch ein funktionierendes Radverkehrsnetz.“

Weiter fortgesetzt würden Vorhaben zur Sanierung bestehender Rad- und Fußverkehrsanlagen sowie Beschlüsse der Unfallkommission zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Auch Projekte im Zusammenhang mit der Schulwegsicherheit sollten fortgesetzt werden.

Alle anderen Projekte und noch nicht begonnen Maßnahmen würden geprüft und sollten „bis zur Billigung der weiterentwickelten Jahresplanung nach Maßgabe der Richtlinien der Regierungspolitik“ ruhen. „Wir gehen nicht mit der Schablone vor, sondern orientieren uns am Bedarf aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer“, sagte Schreiner.

Lichtenbergs Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) befürchtet jedoch, dass Vorhaben gestoppt werden, die schon weit fortgeschritten sind. Dadurch werde der Radverkehrsplan um Jahre zurückgeworfen, so die für den Verkehr zuständige Stadträtin. In ihrem Bereich sei die Siegfriedstraße betroffen, für die Planungen 2017 offiziell begonnen hätten. Sie wünsche sich, dass Verkehrssenatorin Schreiner die Aussetzung so schnell wie möglich zurücknehme, „damit wir nicht noch mehr Zeit und Mittel verlieren“, so Keküllüoğlu.

© dpa-infocom, dpa:230616-99-81569/4

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